Blut und Sünde
klappte, und nahm sich auch vor, nicht zu lange bei Florence zu bleiben, obwohl die Blondine verdammt attraktiv war und ihm manchmal durch Blicke und Gesten zu verstehen gegeben hatte, dass sie einem kleinen Abenteuer nicht abgeneigt war.
Das wusste auch Katharina Gorman. Sie hätte Florence am liebsten persönlich abgeholt, aber sie wurde noch im Theater gebraucht. Bis zur Premiere war alles sehr hektisch, besonders die letzten Stunden vor dem großen Beginn.
Osmin Gorman stellte den Kragen seiner Lederjacke hoch, als er auf die Haustür zuging. Der Sprühregen nässte sein Gesicht, was ihn nicht weiter störte. Die Haustür konnte er aufdrücken. Das Schloss taugte nichts mehr. Er stieg die Treppe hoch und dachte daran, dass dieses Haus mehr eine leere, alte Bude war.
Wohnen wollte er hier nicht, aber Florence hatte nichts dagegen, denn diese Miete konnte sie sich leisten. Er hatte sie schon zweimal besucht, und auch jetzt gab es keinen Klingelkopf. Wer zu Florence wollte, der musste klopfen, was Osmin auch tat. Ziemlich laut sogar. Sehr hektisch und schnell. Sie sollte schon jetzt merken, dass er es eilig hatte. Florence öffnete nicht.
»Scheiße!« flüsterte Osmin Gorman und versuchte es von neuem. Wütend nagte er an seiner Unterlippe, aber auch das zweite Klopfen brachte keine Reaktion.
»Wenn sie nicht da ist, unsere Verabredung vergessen hat und schon gefahren ist, reiße ich ihr den Kopf ab!« schimpfte er. In seiner Wut drückte er die Klinke herunter - und war überrascht, als sich die Tür öffnen ließ. Osmin schob sie auf und konnte über die Schwelle treten.
Er kannte die Wohnung, die zwar groß, aber feucht war. Ein an Rheuma Leidender verschlimmerte hier seine Krankheit.
Osmin ging langsam. Drückte die Tür hinter sich zu, bevor er sich umschaute. War sie nicht da?
Es brannte kein Licht. Zwar gab es die beiden Fenster, aber viel Licht drang nicht herein. Draußen war es einfach zu dunkel. Nur ein schwacher, grauer Schein breitete sich aus, der nicht einmal den letzten Zimmerwinkel erreichte.
Dort stand auch der Sessel, und da sah er sie doch. Ihm fiel ihr Kopf auf. Sie lag im Sessel, und es war nichts von ihr zu hören. Wie eine Schlafende oder wie eine Tote. Der Gedanke daran ließ den Dreißigjährigen erschauern. Der echte Tod war anders als der auf der Bühne.
Auf Zehenspitzen ging er zum Sessel. Auch als er sich näherte, hörte er keine Atemzüge. Florence schien in einen regelrechten Tiefschlaf gefallen zu sein.
Neben dem Sessel blieb er stehen und wunderte sich ein zweites Mal. Florence war so gut wie ausgehfertig, denn sie trug ihren langen, dunkelblauen Wollmantel; dessen Kragen sie sogar hochgestellt hatte, so dass der Rand bis über die Ohren reichte. Der Kopf war Osmin zugewandt. Er sah, dass sie die Augen geschlossen hielt. Sie schlief also doch und war nicht tot.
Osmin überlegte, was er tun sollte. Schließlich wollte er sie nicht erschrecken. Er stieß sie leicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger an.
Florence Turner zuckte zusammen. Sie sagte nichts, sondern öffnete nur die Augen.
Gorman lachte. »Toll, ich bin beruhigt.«
»Warum?«
»Weil ich dich schlafend vorgefunden habe und du in der letzten Nacht nicht gestorben bist.«
Ihr Lächeln sah gezwungen und zaghaft aus. »Weiß man's?« gab sie mit leiser Stimme zurück.
»Hör auf. Das Theater kommt heute Abend. Hattest du vergessen, dass ich dich abholen wollte?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich bin bereits angezogen, wie du sehen kannst.«
»Stimmt.« Er nickte. »Wir sollten auch sofort losfahren. Durch den verdammten Verkehr habe ich mich verspätet, und Katharina will noch einige Szenen durchproben.«
Florence bekam Glanz in ihre Augen. »Ja«, sagte sie mit leiser Stimme. »Das ist gut, das ist sehr gut. Blut und Sünde. Es passt wunderbar zusammen.«
»Klar. Ich weiß zwar nicht, wie du gerade jetzt darauf kommst, aber du hast recht.«
»Bestimmt.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Los, hilf mir bitte hoch.«
Osmin umfasste die Hand und hätte sie beinahe wieder losgelassen, weil sie ihm so kalt vorkam.
Nicht einfach normal kalt, er wusste nicht, wie er es bezeichnen sollte. Sie war einfach anders. Diese Kälte hatte sie sich nicht draußen geholt, die kam mehr von innen.
Als sie stand und er ihre Hand losgelassen hatte, schüttelte er den Kopf. »Was ist nur mit deiner Hand los?«
»Wie meinst du das?«
»Ja, sie ist… ähm… so kalt. Ungewöhnlich kalt. Da bin ich ehrlich. Das habe
Weitere Kostenlose Bücher