Blut und Sünde
auch noch auf meinem Mund lag, als wir gemeinsam den Aufzug betreten hatten.
»Wo wollt ihr eigentlich hin?« fragte ich.
»Zu einem Geburtstag«, erklärte Shao. »Eine Freundin aus dem Computerkurs damals wird dreißig. Sie hat alle aus dem Kurs eingeladen, und jeder darf seinen Partner mitbringen.«
»Ach wie nett«, sagte ich und beobachtete dabei Suko, der zur Wand schaute und die Augen heftig verdrehte. Dieser Abend würde ihm richtig ›Spaß‹ machen.
»Etwas Abwechslung kann nicht schaden«, meinte Shao. »Immer nur im Haus herumhängen, bringt nichts. Du bleibst schließlich auch nicht in deiner Bude hocken.«
Ich stichelte weiter und sagte: »Ihr hättet auch mit uns ins Theater gehen können.«
»Ja, zum Beispiel«, sagte Suko.
Shao reckte ihr Kinn vor. »Von wegen. Ausgerechnet noch in ein Grusical. Da habe ich keinen Bedarf. Ich bin mit jemand zusammen, der Grusel genug hat. In der Freizeit brauche ich das nicht auch noch zu haben.«
Der Lift hatte mittlerweile in der Tiefgarage gehalten. Wir schlenderten zu den Autos, und wieder ließ ich nicht locker. »Was sagst du denn zu Shaos Bemerkung? Sie hörte sich an, als hätte Sheila Conolly sie gegen uns aufgestachelt.«
»Ich habe nichts zu sagen«, erklärte er grinsend.
Shao tippte mir in die Rippen. »Und du hältst dich da raus, John. Würdest du mit einer Partnerin zusammenleben, dann hätte ich dich mal sehen und hören mögen.«
»Das weiß ich alles. Und deshalb bleibe ich lieber Junggeselle.« Lässig winkte ich ihnen zu und schloss die Tür zu meinem Rover auf. »Jedenfalls wünsche ich euch was.«
»Danke, dito.« Shao verschwand im BMW. Suko blieb noch für einen Moment neben dem Auto stehen und zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die zeigte, dass er resigniert hatte. Sehr ernst war es nicht. Er war froh, mit Shao eine gute Partnerin gefunden zu haben, die vor allen Dingen seinen Beruf akzeptierte, inklusive das häufige Wegbleiben.
Ich ließ die beiden zuerst fahren und klemmte mich hinter das Heck des Flitzers. Auf der einen Seite war ich froh, dass dieser Abend nicht langweilig verlaufen würde. Es herrschte tatsächlich ein Wetter, das auf die Stimmung drückte. Grau in grau, die Dunkelheit, der leichte Sprühregen, da machte es auch keinen Spaß, in einer Stadt wie London zu leben, die so viel Abwechslung bot. War das Wetter mies, schlug es sich zumeist auf die Stimmung der Menschen nieder.
Ich hatte mit Jane Collins und Sarah verabredet, dass ich bei ihnen vorbeikam. Wir wollten dann mit einem Taxi zum Ziel fahren, um nach der Vorstellung im Foyer noch etwas trinken zu können. Da brauchte ich mich auch nicht so zurückzuhalten.
Ich fand einen Sender, der Musical-Melodien spielte, und stimmte mich so auf den Abend ein. In dem Stück, das wir heute sahen, wurde gesungen, getanzt, und das alles garniert mit einer gruseligen und unheimlichen Handlung.
Ich war gespannt. Der Regen rieselte. Die Umgebung außerhalb des Wagens verschwamm in einem dunklen Grau, das auch von den Reklamen und anderen Lichtern nicht besonders stark aufgehellt wurde.
Die Horror-Oma lebte in Mayfair, einem sehr distinguierten Wohnviertel der Millionenstadt. Dort standen noch die alten Häuser aus der Jahrhundertwende. Jugendstil. Auch viktorianische Bauweise. Hin und wieder ein Bau aus der Tudorzeit, das alles fand sich in diesem Stadtteil, in dem die Mieten nicht eben preiswert waren.
Das Haus, in dem Sarah Goldwyn lebte, gehörte ihr. Finanziell ging es ihr gut. Sie war mehrfache Witwe, aber ihre Ehegatten waren alle eines natürlichen Todes gestorben und hatten ihr immer ein kleines Erbe hinterlassen. Das hatte sich im Laufe der Zeit vermehrt und war so viel geworden, dass Sarah das Geld gar nicht allein ausgeben konnte. Sie gehörte zu den Menschen, die viel und auch gezielt spendeten, jedoch nicht groß darüber redeten.
Ich fuhr durch London, ließ mir Zeit und erlebte trotz des schlechten Wetters so gut wie keinen Stau auf der Strecke. Das Glück blieb mir auch weiterhin treu, denn nahe des Hauses, in dem Sarah und Jane wohnten, fand ich einen Parkplatz. Den Rover ließ ich zwischen zwei Bäumen stehen, deren Blätter allmählich eine andere Färbung erhielten. In zwei Wochen würden sie in den bunten Farben des Herbstes leuchten und abfallen.
Über der Haustür brannte Licht. Wie immer musste ich durch den Vorgarten gehen, und wie so oft wurde ich bereits erwartet. Jane hatte mich wohl gesehen und stand in der offenen Tür. Den Mantel
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