Blut und Sünde
immer fror. Osmins Sorgen wurden nicht geringer. Er hielt sich jedoch mit einem weiteren Kommentar zurück.
Der Wagen parkte an der gegenüberliegenden Straßenseite. Bevor die beiden losgingen, ließen sie einen einsamen Radfahrer passieren, dann setzten sie sich mit raschen Schritten in Bewegung. Diesmal ging Osmin vor. Florence folgte ihm langsamer, und er schloss für sie die Wagentür an der Beifahrerseite auf.
»Setz dich mal rein. Ich mache die Heizung an, dann wird es dir bestimmt bald besser gehen.«
»Ja, gut.«
Sie stieg ein. Den Mantel ließ sie geschlossen und zog, als sie saß, den Kragen noch höher, als wollte sie ihr Gesicht dazwischen verstecken.
Auch Osmin stieg ein. Er sagte nichts, obwohl ihn viele Fragen quälten. Nur eine Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen. »Wenn es dir später auch noch schlecht geht, werde ich Katharina bitten, dir einen Tee zu kochen.«
»Danke.«
Er tätschelte ihre Hand - und zog seine Finger sofort wieder zurück, denn noch immer war die Haut so kalt wie zuvor. An ihrer Körpertemperatur hatte sich nichts verändert, obwohl sie mittlerweile den wärmenden Mantel schon länger trug.
»Fieber hast du aber nicht.«
Florence zuckte nur die Achseln.
»Dann wäre deine Haut warm oder sogar heiß, wenn du verstehst.«
»Kann sein.«
Sie waren schon angefahren. Osmins Gedanken drehten sich wieder um Florence. »Hör mal zu. Wenn es wirklich nicht mehr geht, dann musst du den Auftritt absagen. Die Rolle kannst du dann nicht durchstehen, meine ich. Wir müssen dann eine andere Lösung finden. Vielleicht kann eine der Tänzerinnen deinen Part übernehmen.«
Florence Turner lachte so laut auf, dass sich Osmin darüber wunderte. »He, was ist daran so lustig? Ich meine es ernst, darauf kannst du dich verlassen.«
»Sorry, Osmin, aber ich meine es ebenfalls ernst. Keine Sorge, ich werde spielen, da mag kommen, was will. Aber jetzt möchte ich, dass du mir einen Gefallen tust.«
»Klar, welchen denn?«
»Sei bitte ruhig, denn ich möchte etwas schlafen. Ich bin plötzlich so müde.«
»Kein Problem. Hauptsache, du wirst wieder gesund.«
»Ich bin gesund«, erwiderte Florence. Aber so leise, dass er es nicht hörte. Dann drückte sie ihren Kopf nach links, bis er die Scheibe an der Innenseite berührte. Sie öffnete den Mund und strich mit der linken Daumenkuppe über ihre obere Zahnreihe hinweg.
Die beiden neuen Zähne waren zu spüren. Besser als noch vor Stunden. Länger und spitzer. Zähne, die jetzt darauf warteten, sich in den Hals eines Menschen zu schlagen…
***
Ich hatte mich ›fein‹ gemacht, trug ein schwarzes Jackett, eine dunkelgraue Hose und ein etwas helleres Hemd mit einer sehr dezenten Krawatte, fast im gleichen Ton.
Glenda Perkins hatte mich nach einer langen Quälerei dazu gebracht, die Klamotten zu kaufen. Grau war in diesem Jahr die Modefarbe, und da hatten sich die Modetypen eben nach der Stimmung gerichtet, die am Ende dieses Millenniums herrschte. Wenn schon grau und krank aussehende Models über den Catwalk liefen, dann wollte man in der Mode eben nicht nachstehen und verließ sich auf diesen Ton des Grau in Grau.
Ich vermisste irgendwie meine Lederjacke. Dafür hatte ich den Mantel über den Arm gehängt. Da es regnete und ich nicht wusste, ob ich in der Nähe des Theaters einen Parkplatz fand, wollte ich mir das neue Outfit nicht nass regnen lassen.
Suko und Shao wussten nichts davon. Ich hatte auch vor, zum Fahrstuhl zu schleichen, als just in diesem Augenblick die Wohnungstür der beiden aufgezogen wurde und sie wie bestellt auf der Bildfläche erschienen.
»Wow!« sagte Shao, denn sie hatte mich zuerst entdeckt. »Das ist ja ein Hammer!«
»Was bitte?«
»Dein Outfit.«
Ich sagte nichts und grinste nur.
Suko, der die Tür abgeschlossen hatte, drehte sich um, sah mich, bekam große Augen und pfiff durch die Zähne.
»Nee, John, bist du das tatsächlich?«
»Es ist nicht mein Geist.«
»Sieht aber fast so aus. Wer hat dir denn die Klamotten angedreht? Willst du Dressman werden?«
»Erst nach meiner Pensionierung. Aber alle fünf Jahre kaufe ich eben was Neues.«
Shao stieß ihren Partner an. »Das bringt mich auf eine Idee. Wir könnten auch mal schauen. Am besten direkt übermorgen Abend, da…«
»Nein!« rief Suko, »nur keinen Anzug und auch keine Krawatte. Ich will mich nicht verkleiden.«
Shao knuffte ihn in die Seite. »Abwarten, mein Lieber.«
Ich konnte mir das schadenfrohe Grinsen nicht verkneifen, das
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