Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
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»Scheint ziemlich ruhig zu sein.«
»Ziemlich viele Leute sind vor Ort unterwegs.« Danny meinte Angestellte, die zu Bergungsmissionen unterwegs waren.
Ein kurzer Abriss über die Vorgehensweise des JPAC: Sobald eine Verlustfallakte geöffnet und der wahrscheinliche Liegeplatz einer Leiche eruiert wurde, wird ein IT, ein Ermittlungsteam, vor Ort geschickt. Das könnte überall sein – ein Reisfeld in Südostasien, eine Klippe in Papua-Neuguinea, eine Bergspitze im Himalaja oder ein Meeresgraben vor der Küste Tunesiens.
Ein IT besteht aus zehn bis vierzehn Personen, geführt von einem Teamleiter und einem forensischen Anthropologen, wobei Ersterer verantwortlich ist für die Sicherheit und den Erfolg der Mission, Letzterer für die eigentliche Ausgrabung. Darüber hinaus gehören dazu ein Organisator, ein Dolmetscher, ein Arzt und ein Spezialist für Lebenserhaltung, ein forensischer Fotograf und ein Bombenentschärfer. Weitere Spezialisten kommen dazu, wenn sie gebraucht werden. Bergsteiger, Taucher und so weiter.
Bergungsstätten variieren zwischen wenigen Quadratmetern, wie bei Gräbern von Einzelpersonen, und Flächen größer als Fußballfeldern, wie bei Flugzeugabstürzen. Der Anthropologe startet die Aktion, indem er mit Stöcken und Schnüren ein Gitternetz auslegt, danach werden die einzelnen Quadrate eins nach dem anderen umgegraben. Die Erde wird per Hand durchgesiebt, um auch noch das winzigste Skelettfragment oder Teile dazugehöriger Artefakte bergen zu können. Abhängig von den Umständen können einige wenige oder bis zu hundert ortsansässige Arbeiter für ein Projekt engagiert werden.
Wenn dann alles im CIL ist, treten die Laborratten in Aktion und untersuchen Knochen, Zähne und materielle Indizien, und gleichen alle Ergebnisse mit historischen Informationen ab.
Der Anthropologe erstellt ein so komplettes biologisches Profil wie möglich, untersucht Verletzungen und beschreibt pathologische Zustände wie Arthritis oder alte, verheilte Brüche. Der Odontologe vergleicht die Zähne mit Röntgenaufnahmen, handgeschriebenen Krankenblättern und Behandlungsnotizen in antemortalen Unterlagen. Beide entnehmen Proben für einen mitochondrialen DNS-Test.
Materielle Indizien unterscheiden sich von Fall zu Fall. Schilder mit Flugzeugdaten. Artilleriegeschütze oder Handfeuerwaffen. Rucksäcke, Kochgeschirr, Uniformen. Persönliche Habseligkeiten wie Ringe, Uhren, Kämme. Auch noch das winzigste Fragment wird genauestens untersucht.
Wie man sich vorstellen kann, ist dieser gesamte Prozess aus Recherche, Bergung und Analyse sehr arbeitsintensiv, und eine eindeutige Identifikation kann Jahre dauern. Wurde DNS aus Knochen oder Zähnen gesichert, kann die Suche nach Vergleichsproben aus der Familie noch zusätzliche Zeit erfordern.
Und dann ist es immer noch nicht vorbei. Jede eindeutige Identifikation erfordert Gegenkontrollen auf mehreren Ebenen, darunter auch Gutachten von externen Experten. An diesem Punkt kam ich dazu. Jahrelang bewertete ich Dossiers, zergliederte überlappende Indizienketten, die sich aus den jeweiligen Überresten ergaben.
Klingt nach sehr viel Geld und Arbeit? Tja, Kosten und Mühen zahlen sich aus. Im Durchschnitt identifiziert das JPAC sechs Individuen pro Monat. Bis heute wurden über 1400 Soldaten ihren Familien zurückgegeben. Die Dankbarkeit von Verwandten ist unschätzbar.
Unterm Strich heißt das: Unsere Truppen wissen Bescheid. Sollten sie in den Krieg ziehen, bringen wir sie wieder nach Hause, auf die eine oder die andere Art.
»Wie viele Bergungsteams werden jedes Jahr losgeschickt?« Da ich nicht mehr zum JPAC gehörte, hatte ich kein Gefühl mehr für die augenblicklichen Zahlen.
»Mindestens zehn nach Südostasien, vielleicht fünf noch im Zusammenhang mit dem Koreakrieg.« Danny schürzte nachdenklich die Lippen. »Zehn weitere wohin auch immer, ob im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg oder dem Kalten Krieg. Ein Kommen und Gehen.«
Dannys Büro war das genaue Gegenteil von Merkels. Überall lagen Papiere und Bücher verstreut, Ordner drohten von wackeligen Stapeln herunterzufallen. Memos lagen noch dort, wo irgendjemand sie hingeworfen hatte. Ein Baseball mit Autogramm. Ein Drachen. Ein Foto von Danny bei einer Ausgrabung auf einem Berg.
Der Schreibtisch präsentierte eine ähnliche Ansammlung von Erinnerungsstücken. Eine mikronesische Skulptur, die aussah, als wäre sie aus den Hauern eines Wildschweins gemacht. Eine bemalte Kokosnuss. Ein
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