Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
nicht.«
»Wie war der Name des Mannes?«
»Ich warte immer noch auf eine Antwort auf meine Nachfrage.«
Für den Rest des Tages wuschen und schrubbten wir verkohltes Gewebe und moderige Stoffreste von den Knochen. Um fünf lag ein völlig gesäubertes Skelett auf dem Tisch. Die nackten Knochen verhalfen uns nicht zum Durchbruch.
Honolulus Medical Examiner arbeitet in einem krummlinigen, weißen Gebäude an der Wilei Road, nur einen kurzen Spaziergang von Chinatown entfernt. Gleich nebenan befindet sich die größte Filiale der Heilsarmee, die ich je gesehen habe.
Pünktlich um halb sechs fuhr ich unter einem Bogen hindurch und auf einen kleinen Parkplatz gleich neben dem Gebäude. Hadley Perry öffnete mir persönlich. Die Fotos, die ich im Honolulu Advertiser gesehen hatte, hatten mich kaum vorbereitet.
Hadley Perry war eine schlanke Frau mit unverhältnismäßig großen Brüsten und einer Vorliebe für eine Art von Makeup, die Katy »edelnuttig« genannt hätte. Ihre kurzen, schwarzen Haare waren mit Gel zu Stacheln aufgestellt, von denen einige feuerwehrrot waren.
»Hadley Perry.« Sie streckte mir die Hand entgegen.
Ich ergriff sie.
Perrys Umklammerung hätte Eisen schmieden können.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen helfen kann.« Ich bewegte die Finger, um zu sehen, ob auch keine gebrochen waren.
»Aber für ein paar Runden steigen Sie doch mit in den Ring, oder?« Sie boxte mich auf den Bizeps, dass es richtig wehtat.
O Gott. Wer war diese Frau?
Ich folgte Perry durch eine Doppeltür und einen Korridor mit gewienertem Fliesenboden entlang und verkniff es mir dabei, den pochenden Muskel zu massieren. Vorbei an einem großen Autopsiesaal mit fünf Tischen, kamen wir schließlich in einen kleineren Raum, der dem salle 4 im LSJML nicht unähnlich war. Schränke mit Glasfronten, Arbeitsfläche an einer Wand, Sektionsmikroskop, Hängewaage.
Auf einem Edelstahlkarren lag eine mit Plastik abgedeckte Erhebung. Der kleine, unregelmäßig geformte Umriss schien irgendwie nicht zu einem Menschen zu passen.
Wortlos zogen wir beide Schürze und Handschuhe an.
Wie ein Oberkellner, der die table d'hôte präsentiert, zog sie mit Schwung die Abdeckung weg.
14
Ich schluckte schwer.
Die Überreste bestanden aus fünf amorphen Klumpen und einem etwa fünfundvierzig Zentimeter langen Segment eines menschlichen Beins. Die Haut war faltig und selleriegrün, das darunterliegende Gewebe grau und zerfasert wie Schmorbraten.
Ich trat an den Tisch und beugte mich darüber.
Das abgetrennte Bein war spärlich mit kurzen, dunklen Haaren bedeckt. Tief im Fleisch waren Knochen sichtbar, oben ein Teil des Oberschenkelknochens, unten Teile von Schien- und Wadenbein. Alle drei Schäfte endeten in ausgefransten Stacheln. Knochen, Haut und Muskeln waren überzogen mit Furchen, Schnitten und parallelen Rissen.
»Das ist ein Knie, nicht?«, fragte Perry.
»Ein linkes. Kam das aus dem Meer?«
»Ja. Schauen Sie sich die Röntgenaufnahmen an.«
Perry ging zu einem Doppellichtkasten, drückte auf zwei Schalter und tippte auf eine Aufnahme, die auf dem Kasten lag. Ich stellte mich neben sie.
In einem Fleischsegment leuchtete ein weißes Objekt. Es war etwa bohnengroß und sah aus wie die weiße Schaumkrone einer Welle in einem Comic.
»Haizahn«, sagte ich.
»Ja. Nicht der einzige.« Ein blau lackierter Nagel tippte auf zwei weitere Aufnahmen.
»Sie denken an Tod durch Haiangriff?«
Perry wackelte mit der Hand. Vielleicht ja, vielleicht nein. »Ich kann im Gewebe keine Einblutungen erkennen.«
Tote Herzen pumpen nicht. Einblutungen im Umkreis um eine Verletzung bedeuten normalerweise, dass das Opfer noch am Leben war, als es verletzt wurde. Kein Blut bedeutet normalerweise einen postmortalen Angriff.
»Könnte das Nichtvorhandensein von Einblutungen durch das Eintauchen in Salzwasser erklärt werden?«
»Klar.«
»Die Abtrennung des Beins könnte also Folge einer postmortalen Attacke sein.«
»Das habe ich schon öfters gesehen.«
Ich betrachtete die einzelnen, aus verschiedenen Winkeln aufgenommenen Bilder. Wie das Knie enthielten auch drei andere Fleischklumpen Skelettanteile.
»Das ist das Schambein und ein Teil des Sitzbeins.« Ich deutete auf ein Bild, das einen Teil der Beckenvorderseite zeigte.
»Reicht das fürs Geschlecht?«
»Wieso, kommt's Ihnen auf die Größe an?«
»Sehr witzig.«
Ich wartete auf einen Boxhieb auf den Arm. Er kam nicht.
»Der
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