Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
v-förmige subpubische Winkel, der kräftige Schambeinkörper und der breite Sitz-Schambein-Ast deuten auf männlich hin.«
Perry nickte.
»Das ist ein Stück des Darmbeinkamms.« Ich deutete auf einen Teil der geschwungenen Oberkante einer linken Beckenhälfte. »Es ist mit der Darmbeinschaufel nur zum Teil verschmolzen. Wenn wir von männlichem Geschlecht ausgehen, würde ich, ohne mich allzu sehr aus dem Fenster zu lehnen, sagen, wir haben es hier mit einem Alter zwischen sechzehn und vierundzwanzig zu tun.«
»O Mann.«
»Das ist ein Teil des Femoralschafts, direkt unterhalb des Gelenkkopfes und des Oberschenkelhalses. Links, wie Knie und Becken.« Ich deutete auf eine Aufnahme, die am Lichtkasten klemmte. Mein Finger bewegte sich zu dem Bild daneben. »Und das ist ein Teil des linken Fußes und Knöchels. Das sind Reste der distalen Schien- und Wadenbeine und einige kleiner Fußknochen, ich würde sagen, das Kahnbein und die zweiten und dritten Dreiecksbeine.«
»Können Sie daraus die Größe ableiten?«
Ich überlegte. »Nein. Ich könnte eine statistische Regression der Maße der Beinknochenfragmente vornehmen, aber die Ergebnisse hätten eine abenteuerliche Toleranzbreite.«
»Aber Sie könnten sagen, ob der Junge sehr groß oder sehr klein war?«
»Ja. Die Muskelansätze deuten auf einen robusten Körperbau hin.«
»Was ist mit Rasse?«
»Unmöglich. Die Haut wirkt blass, aber das könnte eine Folge von postmortalem Ausbleichen oder Hauterschlaffung durch das Eintauchen in Wasser sein.«
Menschliche Pigmente sind ausschließlich in der Epidermis enthalten, der äußeren Hautschicht. Ohne die Epidermis sehen wir alle wie Skandinavier aus, eine Tatsache, die oft falsch interpretiert wird von Leuten, die aus dem Wasser geborgene Leichen nicht gewohnt sind.
Perry wusste das. Ich wusste, dass sie das wusste. Die Antwort war ein reiner Reflex. Meine Aufmerksamkeit war ausschließlich auf die Überreste gerichtet.
Ich kehrte zum Tisch zurück und untersuchte die einzelnen Klumpen nun einen nach dem anderen. Dann:
»Wo wurde das gefunden?« Ich bewegte die Hand über die grausige Ansammlung.
»Kommen Sie, ich setze Sie ins Bild.«
Wir zogen Handschuhe und Schürze aus, und dann führte Perry mich den Korridor wieder hoch. Wie begegneten nur einer einzigen Person, einem älteren Hawaiianer mit Eimer und Wischmop. Der Mann senkte den Blick, als wir vorübergingen. Perry nahm ihn überhaupt nicht wahr.
Das Büro der Chief ME sah aus wie das von Danny Tandler – auf Speed. Akten und Papiere lagen auf jeder horizontalen Oberfläche — Schreibtisch, Couchtisch, Stühle, Fensterbrett, Aktenschränke, Boden. Bücher, Magazine und geheftete Buchkopien türmten sich zu wackeligen Stapeln. Die Rücken aufgeschlagener Journale brachen schier unter dem Gewicht darüberliegender Ausgaben.
Vor dem Fenster hing eine billige Metalljalousie. An den Wänden prangten Fotos eines beeindruckend großen, schwarzen Hunds, wahrscheinlich eines Labradors. Andere schmückende Elemente waren ein hängendes Skelett, zwei Muschelschalen, die als Behälter für Gummiringe und Büroklammern dienten, diverse Aschenbecher aus Las Vegas und eine Sammlung von Plastik-Actionhelden, deren Kostüme und Waffen mir nichts sagten.
Perry deutete auf den einzigen freien Stuhl.
Ich setzte mich.
Meine Gastgeberin ging um den Schreibtisch herum und setzte sich in eins dieser Dinger, die für NASA-Missionen zum Mars entwickelt zu sein schienen.
»Nettes Hündchen«, sagte ich. Tatsächlich sah der Hund schmuddelig und fies aus. Aber Damen aus dem Süden sind dazu erzogen, an Fremden Interesse zu zeigen. Am Mechaniker, der Empfangsdame, dem Mädchen von der Reinigung. Egal. Dixie-Töchter strahlen allen und jedem gegenüber Herzlichkeit aus.
Dr. Hadley Perry war keine Ausstrahlende.
»Vorgestern schnorchelte ein Highschoolpärchen in der Halona Cove, zwischen dem Blasloch und der Hanauma Bay. Kennen Sie die?«
Als Schauplatz des berühmten Kusses zwischen Lancaster und Kerr kennen die Einheimischen die Halona Cove als den Verdammt-in-alle-Ewigkeit-Strand. Der kleine Meeresarm hat hoch aufragende, steile Klippen, Mörderwellen und nur sehr wenige Touristen. Zugänglich ist er nur über einen steilen, felsigen Pfad und deshalb eine Lieblingsstelle für einheimische Jugendliche, die darauf hoffen, mehr Sand in ihre Shorts zu bekommen als Deborah und Burt.
Ich nickte.
»Die beiden entdeckten am Grund etwas, vielleicht vier Meter unter
Weitere Kostenlose Bücher