Blut Von Deinem Blute
seiner Stimme nach zu urteilen nicht mehr ganz jung.
Leon überlegte kurz und entschied sich dann für den direkten Weg. »Mein Name ist Leon de Winter«, sagte er, »und ich hätte gern etwas über zwei Bilder gewusst, die Ihr Haus meines Wissens nach vor kurzem verschickt hat. Die Adressatin war eine Frau namens Mia Bradley.«
»Mia Bradley«, wiederholte der Mann am anderen Ende der Leitung, und es klang beinahe wie eine Frage.
»So heißt die Frau«, bestätigte Leon. »Sie lebt auf Jersey und ...«
»Selbstverständlich weiß ich, wer Mia Bradley ist«, unterbrach ihn sein Gesprächspartner. Der Mann hatte seinen Namen nicht genannt, sprach jedoch mit leicht arabischem Akzent. »Es kommt nur selten vor, dass jemand sie so nennt.«
Leon runzelte die Stirn.
»Bei ihrem richtigen Namen, meine ich.« Er lachte. Ein kurzes, beinahe entschuldigendes Lachen. »Die meisten Leute kennen sie ja nur unter ihrem Pseudonym. Deshalb war ich ein wenig irritiert. Aber wie kann ich Ihnen denn nun weiterhelfen?«
Das wüsste ich auch gern, dachte Leon, während er sich bemühte, diese neuen Informationen zu verarbeiten. MiaBradley führte einen Künstlernamen. Ein Pseudonym. »Es geht mir um die Bilder, die Miss Bradley Ihnen geschickt hat«, wiederholte er. »Das waren doch Bilder von ihr selbst, oder?«
Ein ungläubiges Lachen. »Selbstverständlich.«
Leon kam sich zunehmend hilflos vor. »Und sind diese Bilder ...«, begann er, doch der Galerist unterbrach ihn gleich wieder.
»Oh, ich fürchte, da kann ich Ihnen nur wenig Hoffnungen machen«, erklärte er mit einem bedauernden Seufzer. »Die Restaurierung wird einige Zeit in Anspruch nehmen, und es steht derzeit auch noch gar nicht fest, ob die Bilder anschließend überhaupt noch einmal in die Ausstellung zurückkehren.«
»Restaurierung?«, fragte Leon, immer verwirrter.
»Ja, leider«, antwortete sein Gesprächspartner. »Bedauerlicherweise hat sich in einem unserer Ausstellungsräume vor kurzem ein kleines Malheur ereignet. Ein Kabelbrand, zum Glück nichts Großes. Allerdings wurden dabei zwei der Arbeiten leicht beschädigt.« Und wieder dieser Tonfall, der wie eine Entschuldigung klang. »Eben die, die wir Miss Bradley jetzt zum Restaurieren geschickt haben.«
»Und wenn sie sie restauriert hat ...«
»Nun ja, dann bekommen wir sie hoffentlich zurück.« In die geschmeidige Stimme des Galeristen mischte sich ein leises Schmunzeln. »Wir haben für beide Arbeiten bereits mehrere Interessenten.«
Leon fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. »Das heißt, Sie verkaufen Bilder von Miss Bradley?«
Die Frage schien seinen Gesprächspartner zu irritieren, denn er antwortete nicht sofort. »Selbstverständlich«, sagteer schließlich so vorsichtig, als befürchte er, auf den Arm genommen zu werden. »Wie Sie wahrscheinlich wissen, stellt sie regelmäßig bei uns aus.«
»Sicher«, sagte Leon eilig.
»Die Frühjahrsausstellung ist, wie gesagt, so gut wie abverkauft, allerdings haben wir noch zwei oder drei ältere Arbeiten von Miss Bradley. Und auch einige ihrer Skulpturen.« In der kurzen Pause, die er machte, schwang Geschäftstüchtigkeit.
»Was kostet so was?«, fragte Leon mit echtem Interesse.
Ein kurzes Zögern. »Nun ja, die kleineren so um die fünfzehntausend.«
Fünfzehntausend Pfund?! Leon riss die Augen auf.
»Sie müssen bedenken, dass Miss Bradley in der Zwischenzeit einige hoch renommierte Preise gewonnen hat«, bemerkte der Galerist, der sein Schweigen missdeutete. »Und ein echter Nilou, selbst wenn es sich um ein Frühwerk handelt, ist nicht die schlechteste Geldanlage in Zeiten wie diesen.«
Nilou . ..
Nicholas und Louisa, resümierte Leon. Mia Bradleys Pseudonym generiert sich aus den Vornamen ihrer Eltern. »Wie alt sind die Arbeiten, von denen Sie gesprochen haben?«, wandte er sich wieder an seinen Gesprächspartner.
»Etwa zehn oder zwölf Jahre«, antwortete der Mann am anderen Ende der Leitung. »Also kurz vor ihrer Neo-Existenzialistischen Phase.«
»Vielen Dank«, sagte Leon. »Ich werde darüber nachdenken.«
Er unterbrach die Verbindung und lehnte kopfschüttelndden Rücken gegen das verwitterte Holz. Der erfahrene Kriminalist Archer hatte sich also nicht geirrt: Mia Bradley hatte tatsächlich Talent!
9
»Wie ich höre, interessieren Sie sich für Informationen, die den Tod Ihrer Eltern betreffen ...«
Laura hielt den Atem an. Das Telefon in der Halle hatte zu klingeln begonnen, kaum dass die Tür des
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