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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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es alles nur noch schlimmer gemacht? Ihre Finger fuhren über die Fensterbank.
    Vanille, nicht mehr ganz frisch.
    Claire Bishop hat von einem Kind gesprochen, resümierte sie. Von einem bösen und manipulativen Kind. Einem Kind, dem es ganz offenbar gelungen war, sein Umfeld zu täuschen. Aber worin?
    Der Tag ihrer Ankunft fiel ihr ein. Die Glühbirne, die über ihrem Kopf zerborsten war. Hatte Mia das absichtlich so eingerichtet, um sie zu erschrecken? War sie am Ende gar die ganze Zeit über im Haus gewesen und hatte sie beobachtet?
    Unwillkürlich blickte Laura sich um.
    Die Tür des Salons stand offen. Dahinter gähnte die Düsternis der Halle.
    Du darfst auf gar keinen Fall vergessen, die Fotos zurückzulegen! Vielleicht zählt deine Schwester ihre Fotos und Pralinen und Schlüssel jeden Abend nach, wenn sie mit dem Schubert durch ist ...
    Laura wandte sich vom Fenster ab und nahm ihre Handtasche vom Sessel.
    Sie erwartete ein Kind, nicht wahr?, flüsterte die brüchige Stimme der alten Lehrerin in ihrem Kopf.
    Claire Bishop hat meine Frage, ob sie von meiner Mutter spricht, nicht beantwortet, dachte Laura. Sie hat einfach abgespult, was sie loswerden wollte. Allerdings ... Sienickte leise vor sich hin. Allerdings erst, nachdem ich ihr die Fotos gezeigt hatte!
    Mit zittrigen Fingern kramte sie die Aufnahmen aus der Tasche und betrachtete sie noch einmal eingehend. Auf einem der Fotos war auch Mia zu sehen. Es war das Bild von der Strandpromenade und ... Laura fuhr zusammen und fasste nach ihrem Bauch, während vor ihr die Fotos zu Boden sanken, langsam, wie in Zeitlupe. Das Baby! Es hatte sich bewegt!
    Unsinn, schalt sie sich. Es ist viel zu früh für Kindsbewegungen. Eine Ansammlung von Zellen, in diesem Stadium. Nichts weiter.
    Und doch ...
    Da war etwas gewesen. Ein zarter Stoß von innen gegen die Bauchdecke. Eine Bewegung. Ein Kontakt.
    Sie bückte sich nach den Fotos und stopfte sie gedankenverloren in ihre Handtasche zurück. Claire Bishop hat auch von einem Mann oder einem Jungen gesprochen, dachte sie, indem sie die Tür des Salons so entschlossen hinter sich zuzog, als ließen sich auf diese Weise alle Gespenster auf ewig in diesen Raum bannen. Worum war es dabei noch gleich gegangen? Sie überlegte fieberhaft, aber ihr wollte nur einfallen, dass die alte Lehrerin von einer Mauer gesprochen hatte. Gleichzeitig musste sie mit einem Mal wieder an die Wippe denken, von der ihre Schwester gesprungen war.
    Eine Wippe und eine Mauer ...
    Mia und ein getäuschter Junge ...
    Mia auf der Promenade ...
    Mia und zwei Tote auf dem Küchenboden ... Mia, Mia, MIA!
    Laura presste sich die Hände gegen die Schläfen, die zu zerspringen drohten. Je länger sie nach Antworten suchte, desto dichter schien der Nebel zu werden. Nichts war wirklich fassbar. Nirgendwo gab es einen Zusammenhang. Nur wirre alte Geschichten ohne Anfang und Ende, verloren in den Tiefen eines nicht mehr funktionierenden Gedächtnisses.
    Das Fenster, drang in diesem Augenblick Claire Bishops Porzellanstimme wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. Das Fenster war geschlossen. Und da war doch diese Treppe.
    »Wovon sprechen Sie?«, hatte sie gefragt, und ein einziges Mal in diesem merkwürdigen Gespräch, das eigentlich gar kein Gespräch gewesen war, hatte Claire Bishop ihr geantwortet: Die Bücherei . ..
    Unter den gegebenen Umständen schien es Laura das Wahrscheinlichste, dass die alte Lehrerin von der schuleigenen Bücherei in St. Andrews gesprochen hatte. Als Schülerin hatte sie sich selbst dort Bücher ausgeliehen, und sie erinnerte sich auch dunkel daran, dass St. Andrews für eine Schulbücherei außergewöhnlich gut sortiert gewesen war.
    Ihre Augen suchten die Uhr. Wenn sie sich beeilte, traf sie dort vielleicht noch jemanden an. Zumindest irgendeinen Hausmeister. Oder einen anderen Angestellten, der ihr weiterhelfen konnte. Kurz entschlossen rannte sie hinauf in ihr Zimmer, holte ihre Strickjacke und verließ das Haus.

10
    Das Wort »regnen« reichte definitiv nicht aus, um die Menge an Wasser zu beschreiben, die wenige Minuten später vom Himmel stürzte. Der böige Wind hatte ihr die Tropfen beinahe waagerecht ins Gesicht getrieben, und Laura hatte schon nach wenigen Minuten kapituliert und sich in den überdachten Eingang eines Juweliergeschäfts geflüchtet. Dort starrte sie nun schon seit geraumer Zeit in die Auslage, ohne wirklich etwas von den ausgestellten Schmuckstücken wahrzunehmen, als unvermittelt ein zweites, vertrautes Gesicht

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