Blut Von Deinem Blute
Platz.«
Leon leistete der Aufforderung des PPU-Mannes Folge und setzte sich auf denselben Stuhl, auf dem er bereits drei Tage zuvor gesessen hatte. Nach dem Gespräch mit Kevin hatte er den Notruf gewählt, der diensthabenden Beamtin die Sachlage geschildert und sich anschließend zum Haupteingang des Parks an der Rue de la Valeuse begeben, um auf die Ankunft der Polizei zu warten. Und sie waren zahlreich erschienen: drei Einsatzwagen und ein Transporter mit Diensthunden, dazu ein Kleinbus voller Uniformierter, die das Gelände weiträumig abgeriegelt hatten. Der Einsatzleiter hatte Leons Aussage zu Protokoll genommen und ihn anschließend ins Hotel zurückgeschicktmit der Bitte, die Insel bis auf weiteres nicht zu verlassen.
»Danke«, sagte Leon, als Hearing ihm ohne zu fragen einen Becher Kaffee vor die Nase stellte. »War 'ne ziemlich lange Nacht, was?« Leon nickte nur.
Hearing ließ sich auf seinen Stuhl fallen und nahm ein Blatt Papier zur Hand. »Sie haben zu Protokoll gegeben, dass Sie aufgrund des schlechten Wetters nicht schlafen konnten und deshalb spazieren gegangen sind.«
»Das habe ich zu Protokoll gegeben, ja.«
Natürlich war Hearing die Formulierung, die sein Zeuge gewählt hatte, nicht entgangen, aber er war klug genug zu warten, bis Leon von sich aus zu reden anfing. Und das tat er.
Er hatte lange überlegt, was er sagen sollte. Wie er es schaffen konnte, zumindest halbwegs bei der Wahrheit zu bleiben, ohne Laura durch seine Aussage in Teufels Küche zu bringen. Und er hatte er sich schließlich für das entschieden, was seine Mutter als den »goldenen Mittelweg« bezeichnet hätte.
»Ich kenne Laura Bradley aus Deutschland«, begann er, wohl wissend, dass der PPU-Mann mit dieser Tatsache vermutlich längst vertraut war. »Wir sind befreundet. Oder zumindest waren wir es bis vor kurzem.« Er hielt inne und wartete darauf, dass Hearing nachhaken würde, doch er tat nichts dergleichen, sondern hörte einfach nur zu. »Anfang der Woche ist Laura verschwunden, ohne jemandem Bescheid zu sagen, wo sie hinfährt. Und da habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen.«
Offenbar nicht ganz zu Unrecht, sagte Hearings Blick.
»Da ich um ihre Vergangenheit wusste, nahm ich an, dass sie nach Jersey gefahren sein könnte.«
»Was ja auch zutraf.«
Leon sah ihn an. »Ja«, sagte er. »Was auch zutraf.«
Immerhin werden's doch nächste Woche fünfzehn Jahre, dass ihr Vater tot ist, frohlockte Bernadette Labraque. Vielleicht wollen sie so was wie einen Jahrestag abhalten ...
»Hatten Sie Kontakt zu Miss Bradley, seit Sie hier sind?«, wollte unterdessen Jason Hearing wissen.
»Nein.«
»Sie haben sie nicht vielleicht aufgesucht? Um ihr Ihre Hilfe anzubieten, zum Beispiel?«
»Nein. Nur ...«
»Ja?«
»Gestern Abend sah ich zufällig eine Frau, von der ich glaubte, es könne Laura sein.«
»Wo genau haben Sie diese Frau gesehen?«
»In der Gasse hinter dem Hotel.« Leon zuckte die Achseln. »Ich war mir, wie gesagt, nicht sicher, ob es Laura ist. Aber ich bin ihr trotzdem nachgegangen.«
»Man tut im Leben manchmal Dinge, die man sich selbst nicht erklären kann«, kam Hearing ihm überraschend ein Stück entgegen, und Leon hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass er nur taktierte.
»Ja, vermutlich.«
»Und was tat diese Frau, die Sie für Laura Bradley hielten?«
»Sie ging in den Park.«
»Wann war das?«
»Gegen halb elf, glaube ich.«
»Fanden Sie es nicht seltsam, dass jemand – eine Fraunoch dazu – um diese Uhrzeit und bei einem solchen Wetter einen schlecht beleuchteten Park aufsucht?«
»Ich habe, wie gesagt, nicht weiter nachgedacht.«
Auch dieses Mal ließ es Hearing bei dieser wenig überzeugenden Antwort bewenden. »Was tat die Frau, der Sie folgten, in diesem Park?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Leon wahrheitsgetreu. »Ich habe sie bereits am Eingang aus den Augen verloren«
»Und dann?«
Leon wiederholte die Erklärung, die er in der Nacht bereits seinem Freund geliefert hatte, und hoffte inständig, dass Hearing sie nicht allzu absurd fand.
»Na schön«, brummte dieser, als er zu Ende war. »Und Sie bleiben dabei, dass Sie nicht sicher sind, wen Sie da wirklich gesehen haben, gestern Abend im Park?«
»Die Frau war weit weg und die Sicht aufgrund des Wetters sehr schlecht«, antwortete Leon ausweichend.
Hearing lächelte. »Dann kommen wir mal auf die Tote zu sprechen, auf die Sie bei Ihrem zweiten Ausflug in den Churchill-Park stießen«, sagte er, indem er das
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