Blut Von Deinem Blute
so.«
»Viertel nach zwei bei euch.«
»Von mir aus auch Viertel nach zwei. Was zur Hölle ...« Rascheln, dann ein gedämpftes Flüstern. Eine Frauenstimme. Verschlafen. Gereizt. »Nein, alles klar, schlaf einfach weiter, okay?«
Leon konnte nicht verstehen, was die Gespielin seines Freundes antwortete, doch Kevin selbst klang hellwach, als er sich kurz darauf zurückmeldete. Und aufs Äußerste alarmiert. Offenbar war die Erkenntnis, dass sein bester Freund ihn üblicherweise nicht mitten in der Nacht anrief, inzwischen bis in Kevins Bewusstsein vorgedrungen und hatte dort einen entsprechenden Weckruf initiiert. »Was ist passiert?«
»Ich weiß nicht genau, aber ich stehe hier gerade im Sir Winston Churchill Memorial Park vor der Leiche einer Frau«, erklärte Leon mit einer Stimme, die ihm selbst völlig fremd vorkam. »Und ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.«
»Scheiße, du meinst das ernst, oder?«, befand Kevin nach kurzem Zögern. »Ich meine den Teil mit der Leiche.«
»Glaubst du wirklich, dass ich mit so was scherzen würde?«
»Ist ja gut, bleib ganz ruhig, okay? Hast du schon die Polizei verständigt?«
»Nein. Ich ...« Leon schluckte. »Die Sache liegt nicht ganz so einfach, verstehst du?«
»Vor allem verstehe ich, dass du gehörig in der Scheiße sitzt«, versetzte Kevin. »Und das bedeutet eigentlich zwangsläufig, dass es mit Laura zu tun hat.«
»Nein«, widersprach Leon viel zu schnell und viel zu unbedacht. »Das heißt ... Ich bin nicht sicher.«
»Herrgott noch mal, reiß dich gefälligst zusammen«, fuhr Kevin ihn an. »Wer ist diese Frau überhaupt?«
»Du meinst die Tote?«
»Wen denn sonst?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was soll das heißen, du weißt nicht, wer sie ist?«, raunzte Kevin. »Warum rennst du mitten in der Nacht in irgendeinem bescheuerten Park rum?«
»Weil ich gesehen habe, wie Laura ...« Leon unterbrach sich, als ihm klar wurde, wie das, was er da gerade sagte, auf andere wirken musste. »Es ist nicht so, wie du glaubst«, erklärte er eilig. »Ich habe Laura zufällig von weitem gesehen, und ich wollte mit ihr sprechen. Also bin ich ihr nach.«
»In den Park?«
»Ja.«
»Du hast gedacht, sie trifft sich dort mit einem Kerl«, schloss Kevin unsentimental.
Leon zog die Stirn hoch. »Nein, das nicht«, entgegnete er, überrascht, dass er tatsächlich nicht auf einen solchen Gedanken gekommen war, vorhin. »Hier war ein ziemlichesUnwetter, und ich habe mich gewundert, dass sie überhaupt unterwegs ist. Noch dazu so spät.«
»Und da bist du ihr in diesen Park gefolgt.«
»Ja.«
»Und?«
»Nichts und«, erwiderte Leon. »Ich habe sie aus den Augen verloren.«
»Aha.« Eine Welt von Bedeutung in einem einzigen Wort.
»Ich habe sie reingehen sehen, aber als ich am Eingang war, konnte ich sie nirgends mehr entdecken. Und es war mir, ehrlich gesagt, auch zu blöd, einfach auf gut Glück hinter ihr herzurennen. Also habe ich kehrtgemacht und die Sache auf sich beruhen lassen.«
Das schien seinen Freund zu überzeugen. »Wann genau war das?«, fragte er.
»Gegen elf.«
»Also vor ...« Kurze Pause. »... rund drei Stunden.«
»Zwei«, korrigierte ihn Leon.
»Stimmt, die verdammte Zeitverschiebung.« Kevin stöhnte. »Aber egal. Was hast du in diesen zwei Stunden getrieben?«
»Du meinst, seit ich Laura aus den Augen verloren habe?« Leon hatte das Gefühl, in ein überaus unangenehmes Kreuzverhör genommen zu werden. »Ich bin ins Hotel zurück und habe ferngesehen. Aber die Sache hat mir keine Ruhe gelassen und .«
»... und da bist du wieder zurück in diesen Park«, führte Kevin, dem das Gestammel seines Freundes entschieden zu lange dauerte, den Satz zu Ende.
»Nein, zuerst bin ich zum Herrenhaus.«
»Zum ... was?«
Leon fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare, die feucht waren vom Nebel. Es regnete schon eine ganze Weile nicht mehr, und in die schwüle Feuchtigkeit rings um ihn mischte sich immer deutlicher der metallische Geruch frischen Blutes. »So nennen die Insulaner das Wohnhaus hinter dem Hotel.«
»Du meinst das Haus, in dem Lauras Vater und ihre Stiefmutter ermordet wurden«, legte Kevin seinen juristisch geschulten Zeigefinger sogleich mitten in die Wunde.
»Ja, verdammt.«
»Hast du geklingelt?«
»Nein. Ich habe nur geschaut, ob ich Licht sehe. Aber es war alles dunkel.«
»Und dann bist du in den Park, um festzustellen, ob Laura noch dort ist?«
»Ja.«
»War sie dort?«
»Nein.«
»Stattdessen bist du
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