Blut Von Deinem Blute
meiner Mutter.«
»Sondern?«
»Mein Chef hat mir ab und an was zugesteckt.«
»Ryan Marquette?« Leon konnte seine Überraschung nur mit Mühe verbergen. »Warum sollte er?«
Auf Julien Bressons Gesicht mischte sich Schadenfreude mit Abscheu. »Damit ich meinem verehrten Stiefpapa nicht stecke, dass ich ihn in ihrem Zimmer habe verschwinden sehen.«
»In wessen Zimmer?«, stieß Leon hervor, während die Eifersucht ihn mit einer Welle von Kälte überspülte.
Ich glaube nicht, dass da was dran gewesen ist, flüsterte Bernadette Labraque ihm beruhigend zu.
Julien Bresson sah ihn an. »In Mias«, sagte er genüsslich.
7
Auf dem Rückweg von St. Andrews hatte Laura eingekauft: ein Handbeil – vom Etikett passenderweise als Super-Spalter ausgewiesen –, dazu einen Lattenhammer mit rutschfestem, schlagabsorbierendem Griff sowie ein Nageleisen, ein etwa siebzig Zentimeter langes Gerät, das wie eine kleine Brechstange aussah und ihrem laienhaften Blick gerade deshalb besonders geeignet erschien. Außerdem eine Taschenlampe und passende Batterien. Laura hatte alles bar bezahlt und anschließend in eine schwarze Nylonreisetasche gepackt, die sie eigens zu diesem Zweck in einem anderen Geschäft erstanden hatte. Keine Überraschungen mehr, keine Ungewissheiten, keine Fehler. Von jetzt an war sie auf alle Eventualitäten vorbereitet!
Zurück in der Küche des Herrenhauses, musste sie nun allerdings feststellen, dass Mia noch immer im Atelier war. Durch die spaltbreit geöffnete Scheunentür fiel nach wie vor ein schwacher Lichtschein auf den Hof und mischte sich dort mit dem trüben Tageslicht.
Warum verdammt noch mal verschwand sie nicht endlich?
Entnervt lehnte Laura die Schulter gegen den Fensterrahmen. Worauf wartete sie? Immerhin verschwand sie doch auch sonst immer gleich nach dem Frühstück. An den Strand oder in die Dünen oder sonst wohin. Nur heute schien sie in ihrem Atelier Wurzeln geschlagen zu haben. Oder war ihr am Ende das Wetter zu schlecht? Laura spähte durch die schmutzige Gardine des Küchenfensters, während ihre Finger über die beiden kunstlederverstärkten Griffe der Reisetasche glitten, die vor ihr auf der Anrichte stand. Sie hatte hin und her überlegt, wo sie ihre Einkäufe verstecken konnte, damit ihre Schwester sie nicht durch einen dummen Zufall fand. Schließlich hatte sie sich für den rostigen alten Müllcontainer hinten im Hof entschieden, der seit Urzeiten nicht mehr benutzt wurde. Mia warf sämtliche Abfälle in die Tonne auf der Vorderseite des Hauses, das hatte sie abgeklärt, und es erschien ihr auch logisch. Immerhin konnte in einem Ein-Personen-Haushalt kaum so viel Müll anfallen, um einen ganzen Container zu füllen. Ganz abgesehen von der Mühe, die es kostete, das schwere Behältnis um das Herrenhaus herum bis an die Straße zu ziehen. Laura schüttelte den Kopf. Sie war sicher, dass Mia den Container nicht benutzte. Und folglich war er das ideale Versteck!
Sie verließ die Küche, wobei sie die schwere Reisetaschehinter ihrem Rücken verbarg, und öffnete klopfenden Herzens die Hintertür. Es regnete schon wieder, ein feiner, nebelartiger Niederschlag aus tiefhängenden Wolken. Laura fixierte die Scheunentür. Nur von dort drohte ihr Gefahr. Nur von dort konnte Mia sie sehen ...
»Bleib bloß, wo du bist, Schwesterherz«, flüsterte sie, während sie sich dicht an der Mauer hielt. »In fünf Minuten kannst du dich von mir aus auf dein Fahrrad oder in deinen gottverdammten Wagen schwingen und bis ans Ende der Welt fahren. Aber nicht jetzt, hast du verstanden? Nicht ausgerechnet jetzt!«
Ihr Puls raste vor Aufregung und der Tragegurt der Tasche schnitt ihr tief in die Schulter, aber sie kümmerte sich nicht weiter darum, sondern schob sich immer weiter, bis sie die Nische erreichte, in der der Container stand. Von einem Mauervorsprung tropfte Regenwasser auf den rostigen Deckel, und Laura fasste den spontanen Entschluss, die Tasche nicht im Inneren des Behältnisses zu verstecken, sondern darunter. Sie ging in die Knie und tastete mit der freien Hand nach dem rostzerfressenen Metall, während ihre Augen nach wie vor an der Tür zu Mias Atelier klebten. Sie bekam ein Vorderrad zu fassen und maß von dort den Abstand zwischen Containerboden und Hof.
Perfekt!
Laura lehnte den Rücken gegen das Behältnis und schob dann zentimeterweise die Tasche unter den Boden. Einmal verhakte sich etwas, doch es gelang ihr, den unsichtbaren Widerstand zu überwinden und die
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