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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Ansonsten war es totenstill auf dem Hof. Totenstill und grau.
    Leon ging auf die massive Haustür zu. Es gab eine Klingel und zusätzlich einen Türklopfer aus Messing, der dem Eingangsbereich eine beinahe weltmännische Note verlieh. Leon entschied sich dennoch für die Klingel, doch der Ton verhallte im Inneren des Hauses, ohne dass sich etwasgerührt hätte. Er klingelte ein zweites und anschließend auch noch ein drittes Mal, doch niemand öffnete. Wo war das Baby, das er gehört hatte? Wurde es tatsächlich allein gelassen? Oder wollte man ihm ganz einfach nicht öffnen?
    Unschlüssig blickte Leon sich um. Rechterhand befand sich eine riesige Scheune, die wie eine größere Ausgabe von Mia Bradleys Atelier aussah. Daran schloss sich ein lang gestreckter Stall an, und Leon beschloss, es dort zu versuchen.
    Das Regenwasser stand in großen, graubraunen Lachen überall auf dem Hof, der nur teilweise asphaltiert war und ansonsten aus Schotter und festgetretener Erde bestand. Als er die Stalltür erreichte, trat ein kahlköpfiger Mann aus dem Gebäude, dessen sehniger Körper sich erst vor kurzem dem Alter gebeugt zu haben schien. Er blickte nicht einmal auf, sondern humpelte einfach an Leon vorbei, dem Haupthaus zu.
    »Entschuldigen Sie«, rief Leon ihm nach und wunderte sich, dass der Alte auf seinen Zuruf hin sofort stehen blieb. »Ich suche Monsieur Bresson.«
    »Da drüben.« Der Mann zeigte auf die Scheune, während ihm Kautabak als dicke braune Soße aus dem Mundwinkel rann.
    Leon nickte. »Danke sehr.«
    Der Alte nickte und ging einfach weiter. Irgendwo weinte noch immer das Baby. Aber das schien hier niemanden zu interessieren.
    Dieser ganze Laden hätte mir gehört . ..
    Leon überlegte, ob das Schicksal Menschen tatsächlich veränderte oder nur deren wahre Natur entlarvte, alser zum zweiten Mal an diesem Tag eine Scheune betrat. Und dieses Mal schlug ihm tatsächlich der warme Geruch von Heu und Dung entgegen. Keine Terpentindämpfe.
    Er entdeckte Julien Bresson im hinteren Teil der Tenne, wo er Zaumzeug ausbesserte.
    »Guten Tag, Monsieur Bresson. Erinnern Sie sich an mich?«
    Julien Bresson sah hoch. Fremd. Leer. Seine Augen verrieten nicht, was er dachte. Nicht einmal, ob er dachte. Oder fühlte.
    »Wir sind uns am Dienstag in der Bar des Beau Rivage begegnet«, kam Leon ihm zu Hilfe.
    »Ach ja, der Deutsche.« Kein Verwundern. Keine Beteiligung. Nur eine simple Feststellung.
    »Ich wollte ...«, begann Leon, doch Julien Bressons Blick schweifte ab und ging an ihm vorbei zur Tür, wo es dunkler geworden war. Noch dunkler als es an diesem trüben Tag ohnehin schon war. Leon drehte sich um und sah die Frau, die Julien Bresson aus der Bar abgeholt hatte, im Türrahmen stehen. Ihr Gesicht war unbewegt, ein heller Fleck vor dem Grau des Hofes.
    »Es ist nichts«, sagte Julien. »Alles in Ordnung.« Doch seine Frau rührte sich nicht von der Stelle. »Was wollen Sie?«
    »Ich hätte gern etwas über Ihre Mutter gewusst«, antwortete Leon. »Wozu?«
    »Weil sie getötet wurde. Und weil die Frau, die damals auf ihre Leiche gestoßen ist, ermordet aufgefunden wurde.«
    Das schien ihm neu zu sein. Oder er war ein ausgezeichneter Schauspieler.
    Eins von beidem, dachte Leon.
    Julien Bressons Blick glitt wieder zur Tür. »Stimmt das?« Offenbar vertraute er seiner Frau blind.
    »Im Radio haben sie nichts Konkretes gesagt«, hörte Leon ihre Stimme in seinem Rücken. »Nur, dass jemand ermordet wurde.«
    »Conchita Perreira wurde auf exakt die gleiche Weise getötet wie damals Ihre Mutter«, erklärte Leon. »Ihr wurde die Kehle durchgeschnitten.«
    »Gut so.« Julien Bresson setzte sich auf einen wackligen Hocker.
    »Warum gut?«
    »Weil sie zugelassen hat, dass diese Irre ...« Er unterbrach sich und starrte auf den staubigen Boden hinunter. »Wenn die Perreira damals nicht so ein Theater aufgeführt hätte, wäre vielleicht noch was übrig gewesen, mit dem man den Täter hätte überführen können.«
    »Fingerabdrücke auf einem Beil zum Beispiel?«
    Julien Bresson rieb sich die Stirn. »Zum Beispiel.« In seine Miene stahl sich ein plötzliches Misstrauen. »Warum sind Sie hier?«
    »Weil ich Ihnen zugehört habe, neulich Abend.«
    Er lachte. »Was habe ich denn gesagt?«
    Leon war sicher, dass er das ganz genau wusste. Aber er antwortete trotzdem: »Dass Ihre Mutter umgebracht wurde.«
    »Das stimmt ja auch.«
    »Von wem?«
    Er schwieg.
    »Aus dem, was Sie an dem betreffenden Abend gesagthaben, konnte man

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