Blut Von Deinem Blute
sie der Meinung, einen Nerv getroffen zu haben. »Sehen wir uns heute Abend trotzdem wie geplant?«
»Heute Abend ...?«
»Das Meeting.«
»Ach so, ja. Klar.«
»Ich bin gespannt, was du von alldem hältst.«
»Ja, ich auch.«
Laura fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare, die noch immer feucht waren vom Regen. Fehler, Fehler, Fehler, plärrte es in ihren Ohren. So ein Schnitzer darf dir nie wieder unterlaufen, hörst du? Nie wieder!
»Also, dann bis später«, sagte sie, wobei sie das unbequeme Gefühl hatte, mitten in einem höchst eigenartigen Déjà-vu zu stecken.
Ich höre, Sie interessieren sich für Informationen, die den Tod Ihrer Eltern betreffen ...
»Ja«, sagte ihre Patentante. »Bis dann.«
Laura unterbrach die Verbindung und schüttelte langsam und nachdenklich den Kopf. Sie musste unbedingt einen Beweis für Mias Schuld finden, sonst – das wusste sie genau – würde die Lüge, die sie ihrer Patentante soeben aufgetischt hatte, sie früher oder später einholen ...
Sie kehrte in die Küche zurück, nahm sich ein Glas Wasser und wollte sich eben setzen, als die Türglocke ertönte.
Einen Moment lang spielte Laura mit dem Gedanken, das Läuten einfach zu ignorieren, aber schließlich ging sie doch an die Tür. Selbst auf die Gefahr hin, dass es Leon war, der mit ihr über Josh diskutieren wollte. Über den Sinn und Unsinn von Zoobesuchen oder den geeigneten Kindergarten.
Doch die beiden Männer, die auf der obersten der drei ausgetretenen Stufen standen, waren ihr auf den ersten Blick vollkommen unbekannt.
Eilig setzte sie das Lächeln auf, mit dem sie in der Agentur ihre Präsentationen vortrug. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Einer der beiden, ein schmächtiger Rothaariger, hielt ihr einen Ausweis unter die Nase. »Brandon O'Donell, PPU«, stellte er sich vor. »Miss Bradley?«
»Meine Schwester ist in ihrem Atelier.« Laura wich einen Schritt zurück. »Das ist hinter dem Haus. In der Scheune. Sie arbeitet dort.« Wieder Lächeln. »Zumindest behauptet sie das.«
Die beiden Männer zeigten keine Reaktion, was Laura wunderte. Ihr Blick streifte den Kollegen des Rothaarigen, einen Hünen mit kohlschwarzen Augen, und irgendwo tief in ihr blitzte eine flüchtige Erinnerung auf. Waren sie einander nicht schon mal irgendwo begegnet? Sie kniff die Augen zusammen und trat wieder ein Stück vor. Schließlich musste sie ihnen doch zeigen, wo es langging. »Sie können außen um das Haus herumgehen.«
Der Hüne machte ein Gesicht, als wisse er das bereits.
»Dort vor der Mauer links.« Vorbei an den vergammelten Rosenbeeten, setzte sie in Gedanken hinzu. Dieselben Rosen, die meine Schwester schon vor langer Zeit zu füttern vergessen hat. Aber zu Ihrer Beruhigung: Sie malt gern florale Motive. Also machen Sie sich keine Gedanken. Es ist alles bestens. »Sie müssen den Hof überqueren. Dann kommen Sie praktisch direkt darauf zu. Es ist ...« Hatte sie das schon gesagt? »Das Atelier ist in der Scheune.«
»Vielen Dank.« Der Hüne fletschte kalthöflich die Zähne und machte seinem Kollegen ein Zeichen, woraufhin dieser um die Ecke des Herrenhauses verschwand. »Und in der Zwischenzeit hätte ich mich gern mit Ihnen unterhalten.«
8
Als er vor dem Eingang des Beau Rivage aus dem Taxi stieg, traf Leon auf Cora Dubois. Sie schickte sich eben an, das Hotel zu verlassen, und sah noch besorgter aus als an dem Abend, an dem sie einander kennengelernt hatten.
»Hallo«, sagte sie, als sie ihn bemerkte. »Haben Sie einen Ausflug gemacht?«
»Na ja, ich dachte, ich versuche es mal abseits der ausgetretenen Pfade«, antwortete Leon ausweichend, und zu seiner Überraschung gab sich Lauras Patentante mit dieser wenig aussagekräftigen Antwort zufrieden. Mehr noch: Sie machte den Eindruck, mit ihren Gedanken weit fort zu sein.
»Schade, dass das Wetter im Augenblick so gar nicht mitspielt«, bemerkte sie mit routinierter Höflichkeit. »Aber es soll wieder besser werden.«
»Das Wetter macht mir die geringsten Probleme«, entgegnete Leon, doch auch dieses Mal schien Cora Dubois die Doppeldeutigkeit seiner Aussage zu entgehen. »Außerdem heißt es doch immer, dass es gar kein schlechtes Wetter gibt«, fügte er mit einem ironischen Augenzwinkern hinzu, »bloß unzweckmäßige Kleidung.«
»Das behaupten sie nur, damit sie hundertfünfzig Pfund für eine Windjacke verlangen können, die nach einem halben Jahr einfach auseinanderfällt«, gab sie schmunzelnd zurück. Dann blieb
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