Blut Von Deinem Blute
Atelier hinübergeht und …
»Ganz gut.«
»So siehst du aber nicht aus.«
Das musst ausgerechnet du mir sagen, dachte Laura, während sie inständig hoffte, dass man die zerlaufene Wimperntusche nicht mehr sah. »Hast du das mit Conchita gehört?«, fragte sie, um ihre Schwester abzulenken. Außerdem war sie überzeugt davon, dass es Mia nur argwöhnisch machen würde, wenn sie das Thema aussparte.
»Hm, ja.« Sie schluckte und schob sich Salami in den Mund.
»Und was hältst du davon?«
»Na ja, ich frage mich, was sie im Park gewollt hat«, nuschelte sie. »Noch dazu bei einem solchen Sauwetter.«
Laura hielt den Atem an. Du willst ein Spiel spielen, was? Na schön ... »Vielleicht hatte sie eine Verabredung.«
Ihre Augen verengten sich. Aber sie hörte nicht auf zu essen. Nicht mal eine Sekunde. »Ja, das wäre eine Möglichkeit.«
»Glaubst du, dass sie irgendwas gewusst hat? Über den Mord an unserem Vater, meine ich.«
Ihre Schwester schnaubte verächtlich. »Diese blöde Kuh? Was soll die denn groß gewusst haben?«
»Na ja, immerhin war sie die Einzige, die den Tatortgesehen hat.« Laura bemerkte, wie Mia stutzte. Sie begab sich auf gefährliches Terrain, so viel war klar. »Außer dir natürlich.«
Mia stellte die Wurstdose zur Seite. »Und was könnte die gute Conchita deiner Meinung nach am ...«, ein süffisantes Grinsen, »... Tatort gesehen haben?«
»Was weiß denn ich?«, entgegnete Laura, indem sie die Beine unter dem Tisch hervorzog, um jederzeit aufstehen zu können. Fliehen. »Irgendwas, das vielleicht einen Hinweis auf den Täter hätte geben können.«
»Die Polizei hat sie doch befragt, damals.«
»Vielleicht hat sie nicht alles gesagt, was sie wusste.«
Ihre Schwester schwieg und schien nachzudenken. Dann schüttelte sie den Kopf. »Glaub ich nicht.«
»Waren sie schon bei dir?«
»Du meinst die Polizei?«
Laura nickte.
Einen Moment lang sah sie aus, als erwäge sie, sich unwissend zu stellen. Warum sollten sie mit mir reden? Doch nach ein paar Sekunden wohlkalkulierter Leere nahmen ihre Züge dann doch wieder jenen überlegen-amüsierten Ausdruck an, den Laura inzwischen zu Genüge kannte. »Jap, waren sie.«
»Und?«
Mia grinste, aber da war auch Besorgnis in ihren Augen. »Was und?«
Du bist nervös, Schwesterherz! Deine Ma-has-ke ist verrutscht. Sie hängt schie-hief und du hast eine Heidena-hangst!
»Haben sie dich auch gefragt, wo du gestern Abend gewesen bist?«
Auch gefragt ... Gut formuliert!
»Ich war im Atelier.« Ihre Augen verloren an Inhalt. Das übliche Spiel. »Ich habe gearbeitet.«
Laura betrachtete die Schultern unter dem rostroten Stoff. Dafür, dass sie so viel frisst, müsste sie eigentlich noch fetter sein, dachte sie. »Und woran arbeitest du gerade?«
Mias Kopf ruckte vor. »Was interessiert das dich?«
Vorsicht! Fünf-vor-zwölf-Gesicht!
Laura sah nach der Tür. »Oh, es interessiert mich nicht. Ich wollte nur höflich sein.«
»Du bist aber nicht höflich.« Ihre Stimme hätte Glas zerschneiden können. »Du bist nur ein versnobter Rüpel in einem Armani-Kostüm.«
In der Stille, die dieser freundlichen Eröffnung folgte, hätte man den Schlag eines Schmetterlingsflügels gehört. Umso nachhaltiger war die Wirkung des Klingeltons, der wenige Augenblicke später durch das Herrenhaus hallte.
Laura wollte nicht schreien, doch ihre Stimmbänder schienen sich unter der Wucht des Schrecks verselbständigt zu haben. Sie sah noch, wie Mia sich irritiert an den Kopf griff. An die Ohren. Dann war ihre Schwester in der finsteren Diele verschwunden.
Es dauerte einige Sekunden, bis Laura ihre Beine bewegen konnte, doch als es ihr endlich gelang, war sie mit wenigen Schritten bei der Tür.
Aus der Halle schlug ihr Mias Stimme entgegen. Sie schien tatsächlich geöffnet zu haben, denn da war ein Schatten im Türrahmen, direkt hinter ihrem Rücken.
Doch Laura kümmerte sich nicht weiter darum.
Ohne einen einzigen Blick rannte sie die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Das war sie, ihre Chance! Die letzteMöglichkeit, die spärlichen Beweise für den Irrsinn ihrer Schwester in Sicherheit zu bringen, bevor es endgültig zu spät war. Die Tüte mit dem Hochzeitskleid.
Die Puppen unter die Bettdecke, damit der Sturm sie nicht fortweht!
In aller Eile raffte Laura zusammen, was sie greifen konnte, riss ihren stets gepackten Trolley unter dem Bett hervor und stopfte die Tüte hinein. Wie ein Eichhörnchen sammelte sie ihre Schätze zusammen und
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