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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Finger stoppten. Sie musste gründlich sein, durfte keine Möglichkeit außer Acht lassen. Also nahm sie ein paar Schritte Anlauf und warf sich mit aller Wucht gegen das Kunstwerk. Sie sah, wie es zur Seite kippte, verlangsamt, wie in Zeitlupe. Dann schlug es mit einem lauten Knall auf dem Scheunenboden auf. Dabei brach das obere Drittel weg und gab den Blick auf das Drahtgestell im Inneren der Plastik frei. Laura rannte zum Fenster zurück und angelte ihr Beil aus dem Gras. Dann hieb sie so lange auf die Skulptur ein, bis sie sicher sein konnte, dass nichts darin verborgen war. Ähnlich verfuhr sie mit den anderen Plastiken, die in der Scheune standen, unabhängig vom Material. Als sie fertig war, sah das Atelier ihrer Schwester aus, als sei dort eine Bombe detoniert.
    Nur das Messer hatte sie noch immer nicht gefunden ...
    Sie richtete den Strahl ihrer Lampe auf ihre Armbanduhr und stellte mit Entsetzen fest, dass bereits mehr als eine Stunde vergangen war.
    Das ist viel zu lange! Sie könnte längst zurück sein. Vielleicht ist sie längst zurück . ..
    Laura fuhr herum und starrte die Tür an. Zu. Verschlossen. Wie gehabt. Unwillkürlich lauschte sie nach Schritten, dem unverwechselbaren Klirren des Schlüsselbunds, einem Knirschen im Schloss, doch sie hörte nichts als das Knarren der Wände, an denen der Sturm rüttelte.
    Wie lange willst du dein Schicksal noch herausfordern?, höhnte ihr Vater aus seinem Versteck. Gib endlich auf, du unfähiges Miststück. Genau wie früher!
    »Oh nein, ich gebe nicht auf!«, flüsterte Laura und straffte die Schultern. »Das könnte dir so passen. Das könnte euch allen so passen!«
    Sie konnte sein Lachen hören, als sie das Beil aufklaubte und langsam zum Fenster hinüber ging. Ein kleinliches, unsympathisches Lachen, das sich noch von weither an ihrer Unzulänglichkeit zu weiden schien.
    Ambitioniert. Laura ist ambitioniert ...
    »Leck mich«, rief Laura. Dann warf sie das Beil aus dem Fenster und kletterte hinterher.
    Sie musste sich beeilen. Raus aus der Scheune, aus der Ecke, aus dem toten Winkel. Zurück zum Haus. Und dann packen. Weg, verschwinden, weitersehen. Sie stopfte das Werkzeug und die Reisetasche unter die tiefhängenden Zweige eines verwilderten Strauchs, der seitlich des Scheunenfensters vor sich hin wucherte. Und wenn Mia das Zeug fand, auch gut. Sie hatte das Atelier ihrer Schwester verwüstet, da kam es auf derlei Kleinigkeiten vermutlich nicht mehr an. Und auch wenn sie bislang nicht fündig geworden war, so war es ihr doch immerhin gelungen, eine Möglichkeit auszuschließen: Das Messer, das sie suchte, befand sich nicht in der Scheune.
    Jetzt galt es, sich in Sicherheit zu bringen. Zurück insHaus, die Tüte mit den Indizien aus ihrem Zimmer retten, ihre Sachen packen und fort, irgendwohin, wo Mia sie nicht erreichen konnte, wenn sie das Chaos in ihrem Atelier entdeckte.
    Sie überquerte den Hof.
    Die Rückfront des Herrenhauses erhob sich gegen den düsteren Regenhimmel wie ein Bergmassiv, in dem die finsteren Scheiben wie Augen wirkten. Augen, die auf sie gerichtet waren, undurchdringlich und zugleich seltsam wissend. Laura verlangsamte ihren Schritt. Hatte sich dort nicht etwas bewegt? Dort oben im ersten Stock?
    Schwer atmend blieb sie stehen und starrte zum Schlafzimmerfenster ihres Vaters hinauf, ein schwarzspiegelndes Viereck inmitten der tiefgrauen Mauer. Sie war sich durchaus darüber im Klaren, dass sie sich irren musste, aber für einen flüchtigen Augenblick hatte sie trotzdem das Gefühl, Madame Bresson dort stehen zu sehen ...

12
    Leon starrte noch immer auf das blank polierte Messingschild neben dem Tor, als die Tür zu Hartford Gardens 24 geöffnet wurde und eine schlanke junge Frau heraustrat. Sie hatte einen Eimer in der einen und einen Schrubber in der anderen Hand und trug ein hellblaues Kittelkleid über ihrer Jeans. Geschickt blockierte sie die Haustür mit dem Absatz ihrer Sandalette, während sie das Putzwasser in den Ausguss neben der Tür kippte.
    Unwillkürlich musste Leon an Mia Bradley denken.
    Und sie scheuerte und scheuerte, und wenn sie nicht gestorben ist ...
    Derweil hatte ihn die junge Frau bemerkt. »Sie etwas suchen, Sir?« Ihr Akzent klang slawisch, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Russin.
    »Ja«, nickte Leon, indem er sich spontan zu etwas entschloss, das Kevin als »blanken Irrsinn« bezeichnet hätte. »Meine Brille.«
    »Brille?«, wiederholte die junge Frau verständnislos.
    Leon trat durch das Tor. »Ich

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