Blut Von Deinem Blute
starrte sie an.
»Ich habe Louisa geschworen, dass ich nie einer Menschenseele davon erzähle«, erklärte Cora. »Aber wenn sie dich heute sehen könnte ... So verzweifelt und ... Ich hoffe, nein, ich bin sicher, dass sie mich verstehen würde.«
Lauras Augen suchten wieder das Foto. Ein ausgesprochen gut aussehender Mann, dessen hohe Stirn Intelligenz und Charakterstärke verriet. Sein Haar war braun, allerdings nicht besonders dunkel. »Erzähl mir von ihm«, bat sie.
»Sein Name war George«, sagte Cora. »George Steven Berrings. Er war Offizier bei der Marine, zu der Zeit, als deine Mutter und ich gerade die Schule abschlossen.«
»War er denn viel älter als meine Mutter?«, fragte Laura.
»Ziemlich viel«, antwortete ihre Patentante mit einem leisen Lächeln. »Das war allerdings nicht das Problem.«
»Sondern?«
»Seine Ehe.« Sie seufzte erneut. »Sein Schwiegervater war ein hohes Tier im Parlament. Und nachdem seine Tochter erst mal Wind von der Sache bekommen hatte, setzte er George gehörig unter Druck.«
»Und davon hat mein Vater sich beeindrucken lassen?« Laura war enttäuscht. Und zugleich überrascht, wie leicht ihr das Wort mit einem Mal über die Lippen kam. Mein Vater. Dabei hatte sie diesen Mann noch nie gesehen!
»Nein, ganz so einfach lagen die Dinge damals nicht.« Cora schenkte dem Foto, das ihr Patenkind nach wie vor in der Hand hielt, ein nachsichtiges Lächeln. »George war ein mutiger Mann, und ich bin sicher, dass er die Trennungohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen hätte, wenn es nur um ihn selbst gegangen wäre. Aber seine Schwester steckte damals in erheblichen Schwierigkeiten. Ihr Mann hatte sich in irgendwelche Geldwäschereien verstricken lassen und stand bereits mit einem Bein im Gefängnis.« Sie schüttelte müde den Kopf. »Georges Schwester hatte keine Ahnung, was da lief, aber Barry, sein Schwiegervater, richtete es so ein, dass man sie mit ihrem Mann zusammen drangekriegt hätte, wenn die Sache aufgeflogen wäre.«
Sein Schwiegervater hat ihm eine Falle gestellt, und er hat sich dafür entschieden, seine Schwester zu schützen, resümierte Laura mit einer Mischung aus Rührung und Wut. Und meine Mutter hat er dafür über die Klinge springen lassen ...
»Seine Schwester hatte zwei Söhne«, fuhr ihre Patentante zögernd fort. »Sie waren noch klein damals und hätten ins Heim gemusst, wenn ihre Mutter ins Gefängnis gekommen wäre.«
»Also hat sich mein Vater von meiner Mutter getrennt«, schloss Laura.
Cora Dubois nickte.
»Obwohl sie von ihm schwanger war?«
»Das wusste er nicht«, erklärte ihre Patentante verzweifelt. »Nachdem er ihr sein Problem geschildert hatte, bestand Louisa darauf, dass er nichts erfuhr.«
»Warum?«
In Cora Dubois' Gesicht blitzte ein alter Schmerz auf. »Stolz vielleicht. Oder Liebe. Jedenfalls ließ sie mich Stein und Bein schwören, dass ich ihm nichts sage.«
»Aber wenn er es gewusst hätte ...« Laura sah sie an.
»Das hätte die Karten mit Sicherheit neu gemischt«,entgegnete Cora ohne den Hauch eines Zweifels in der Stimme.
»Lebt er noch?«
Ihre Patentante schüttelte traurig den Kopf. »Er kam kurz nach der Trennung von deiner Mutter bei einem Unfall ums Leben.«
»Ein Unfall?«, hakte Laura nach, und Cora verstand sofort, worauf sie abzielte.
»Wir haben nie Genaueres in Erfahrung bringen können«, sagte sie hastig. »Nur, dass sich dieser Unfall auf der Militärbasis ereignete, in der dein Vater nach seinem Weggang stationiert war. Angeblich hat sich bei einer Übung versehentlich ein Schuss gelöst.«
»Denkst du, er hat sich umgebracht?«
»Er hat deine Mutter wirklich sehr geliebt«, sagte ihre Patentante anstelle einer Antwort. »Und sie ihn.«
Laura starrte auf das Foto und fühlte, wie ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. Da hatte sie endlich einen Vater gefunden, den sie akzeptieren konnte. Einen Vater, der so ganz anders war als Nicholas Bradley mit seinen Dämmen und Vorräten und seiner Siedlermentalität. Aber kaum, dass sie ihn zur Kenntnis genommen hatte, war er ihr auch schon wieder entglitten. Tot. Ums Leben gekommen ...
»Ich wollte dich ganz bestimmt nicht traurig machen.« Cora beugte sich unglücklich zu ihr hinüber. »Ich dachte nur, wo du dir doch solche Sorgen wegen Mias Geisteszustand machst, würde es dich freuen, dass sie nur deine Halbschwester ist.«
Stimmt! Laura hob den Kopf. Diesen Aspekt hatte sie noch gar nicht bedacht! Sie hatte endlich herausgefunden, dass sie
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