Blut Von Deinem Blute
duschen!
Sie drehte den Wasserhahn, der stumpf und völlig verkalkt war, bis zum Anschlag auf, doch der Strahl, der gleich darauf heraussprudelte, war dünn und unregelmäßig.
Genauso hatte ich's mir vorgestellt!
Während sie darauf wartete, dass das Wasser endlich warm wurde, betrachtete Laura ihr Gesicht in dem kleinen Spiegel über dem Waschbecken. Sie sah blass aus. Trotz des großzügig aufgetragenen Make-ups. Sie hielt ihr Gesicht eine Weile unter das fließende Wasser, das jetzt recht heiß war, und hoffte, dass es ihrem Teint einen Hauch von Frische zurückgeben würde. Nach einer Weile zog sie sich aus und ließ das Wasser auch über ihren Körper rinnen, indem sie es mit beiden Händen auffing. Dass dabei derganze Fußboden nass wurde, störte sie nicht. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie sich so etwas wie Rücksichtnahme im Augenblick leisten konnte.
Erst als der Spiegel so beschlagen war, dass sie sich nicht einmal mehr ansatzweise darin erkennen konnte, drehte sie den Hahn zu und trocknete sich ab. Da das Badezimmer kein Fenster hatte, ließ sie die Tür einen Spalt weit offen. Dann schlüpfte sie in ihren Pyjama, der beruhigend nach ihrer Frankfurter Wohnung duftete, und setzte sich aufs Bett, wo sie ihr Handy aus ihrer Handtasche zog. Das augenblicklich aufleuchtende Display erfüllte sie mit einem Gefühl der Erleichterung. Es gab eine Welt außerhalb dieses Hauses, zu der sie jederzeit Kontakt aufnehmen konnte. Eine Welt jenseits der Flut.
Ihre Augen streiften den Stuhl, den sie unter der Tür verkeilt hatte, und mit einem Mal kam ihr ihre eigene Angst geradezu kindisch vor. Immerhin war Mia ihre Schwester. Sie seufzte und checkte ihren Posteingang. Keine SMS. Weder von Julia noch von ihrem Chef noch von sonst jemandem. Dafür verzeichnete die Mailbox drei neue Nachrichten. Dreimal Leon. Was er sagte, klang verstört. Beim dritten Mal fast wütend.
»Verdammt noch mal, Laura, was soll das?! Wo steckst du?«
Laura hielt das Handy ein Stück vom Ohr weg, und seine vertraute Stimme verlor an Deutlichkeit. Trotzdem konnte sie noch immer verstehen, was er sagte. Er wurde nicht oft wütend. Wenn sie stritten, blieb er meist kühl und analytisch. Hin und wieder konnte er auch sehr zynisch werden. Aber jetzt klang er einfach nur verzweifelt. »Ich bitte dich, Laura. Wenn ich dich irgendwie bedrängt habensollte, tut es mir aufrichtig leid. Aber lass uns, um Gottes willen, darüber sprechen!«
»Es gibt nichts zu besprechen«, flüsterte Laura, indem sie alle drei Nachrichten mit einem einzigen Tastendruck löschte. »Es tut mir leid.«
13
Da ist dieser Alptraum, den ich nicht loswerde.
Ich bin in meinem alten Kinderzimmer, und es ist mitten in der Nacht, als ich plötzlich erwache. Seltsamerweise ist die Tür nur angelehnt, obwohl ich sie immer schließe, bevor ich schlafen gehe. Meistens drehe ich sogar auch den Schlüssel herum, denn ich habe panische Angst, dass während der Nacht jemand hereinkommen könnte. Aber als ich in dieser Nacht aufwache, steht die Tür trotzdem ein Stück offen.
Vom Treppenhaus dringt ein entferntes Licht durch den Spalt und gießt sich fächerförmig über den Teppich, und ich stehe auf und gehe darauf zu.
An der Tür zögere ich. Ich weiß nicht, ob ich sie öffnen soll, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass auf der anderen Seite jemand steht. Aber als ich mich schließlich doch durchringe, die Tür aufzustoßen, ist niemand da.
Es ist sehr still im Haus, und ich gehe die Treppe hinunter, so leise ich kann.
Im ersten Stock steht die Tür zum Schlafzimmer meines Vaters offen, und ich weiß, das Zimmer dahinter ist leer, ohne dass ich nachsehen müsste. Die Dielen knirschen unter meinem Gewicht und ich blicke immer wieder über meine Schulter zurück, ob mir nicht doch jemand folgt. Jemand, der auf meiner Etage gelauert hat. Jemand, der weiß, dass ich das Zimmer verlassen werde.
Aber ich bin allein.
Unten im Erdgeschoss ist es sehr kalt, noch viel kälter als sonst, und es duftet ganz zart nach Maiglöckchen und Seife. Das Licht, das meine Aufmerksamkeit erregt hat, wird immer heller, je näher ich der Küche komme. Ich würde am liebsten umkehren und einfach wieder hinauf in mein Zimmer gehen, aber andererseits möchte ich auch wissen, warum das Licht brennt, mitten in der Nacht. Also gehe ich weiter.
Hinter der Küchentür gleißt es strahlend hell. Aber es ist ein kaltes, abweisendes Licht, fast wie in einem Operationssaal. Die Tür ist nur
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