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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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zerbrechlich wirkte. »Er ist nicht mein Nachbar, sondern mein Geschäftsführer und nun schon fast fünf Jahrzehnte ein Marquette«, fuhr sie den sichtlich verdutzten Mann an. »Und die Pakete da sind doch wohl eindeutig an M-i-a Brad-ley adressiert«, sie sprach den Namen überdeutlich aus, »oder etwa nicht?« Ihr Kinn schnellte vor und wies auf das kleine Gerät in der Hand des Fahrers, in dem sämtliche Aufträge elektronisch gespeichert waren. »Na los doch, zeig mir den verdammten Lieferschein zu dieser Sendung!«
    Die Fingerkuppen des jungen Mannes zitterten, als er sich daran machte, die entsprechenden Daten aufzurufen.
    Mia Bradley fixierte ihn derweil wie ein Wild, das es zu erlegen galt.
    Leon suchte in ihrem Gesicht nach Spuren von Ähnlichkeit – und tatsächlich: Abgesehen davon, dass Laura ihre Haare um einige Nuancen dunkler tönte, einen halben Kopf größer war und dabei geschätzte vierzig Pfund weniger auf die Waage brachte, war die Verwandtschaft zwischen den beiden nicht zu übersehen. Die gleichen schön geschwungenen Lippen, die gleiche schlanke Nase. Einzig die Augen der Schwestern unterschieden sich grundlegend. Während Lauras Hellgrau den immer leicht entrückten Eindruck ihrer Gesamterscheinung unterstrich, war Mias Tiefblau das nachdrücklichste und eigenwilligste, das Leon je begegnet war, und er dachte, dass Laura trotz ihrer ausgeprägteren Kontraste fast wie ein Aquarell ihrer Schwester wirkte. Wenn sie wollte, konnte Laura einen Raum betreten,ohne dass irgendjemand Notiz von ihr nahm, und er hatte diese Fähigkeit immer als Indiz für ihre innere Zurückgezogenheit gewertet. Jetzt allerdings kam ihm der Gedanke, dass das An- und Ausknipsen einer spürbaren Präsenz genauso gut ein Teil des Spiels sein konnte, das sie spielte. Eine Facette ihrer Persönlichkeit.
    Dass man einen Menschen wie Mia Bradley einfach übersah, hielt er hingegen für vollkommen ausgeschlossen.
    Ihre Augen klebten noch immer am Gesicht des Fahrers, und die Muskeln und Sehnen ihres Nackens waren bis zum Anschlag gespannt. »Sieh hin, du Idiot!«, keifte sie, nachdem es dem UPS-Angestellten endlich gelungen war, den elektronischen Lieferschein aufzurufen. »Welche verdammte Hausnummer steht da hinter meinem Namen?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass er die Sachen hier lassen kann«, wiederholte Marquette, bevor der junge Mann überhaupt reagieren konnte. Sein Gesicht war blass geworden. »Sonst hätte er doch alles wieder mitnehmen müssen.«
    Doch Mia Bradley beachtete ihn gar nicht. »Ich habe dich nicht verstanden«, fauchte sie den Fahrer an. »Steht hier irgendwas davon, dass du berechtigt bist, diese Sendung in diesem verfickten Hotel abzugeben? Ja? Steht das da?« Sie riss dem Mann das Gerät aus der Hand und hielt es ihm direkt unter die Augen. »Zeig mir, wo das steht, du unfähiges Arschloch!«
    Der Fahrer ließ die Tirade mit stoischem Blick über sich ergehen. Seine Züge waren wie in Stein gemeißelt. Nur unter der dünnen Haut seiner Schläfe pochte deutlich sichtbar eine Ader.
    »Lies mir gefälligst vor, was da steht!«, wiederholte MiaBradley drohend. »Falls du das kannst, aber ich wette, das kannst du nicht, du dreckiges Nigger-Schwein!« Sie schleuderte das Gerät zu Boden und wandte sich wutentbrannt ab. »Man sollte euch alle ausweisen, ihr Drecksäcke«, murmelte sie vor sich hin. »Und alle fettärschigen Hotelmanager gleich mit!«
    Der Fahrer bückte sich nach dem Lesegerät. »Ich werde Sie anzeigen«, sagte er ruhig.
    Mia Bradley lachte laut auf. »Und da wärst du weiß Gott nicht der Erste, glaub mir!«
    Marquette griff nach ihrem Arm und wollte sie ein Stück zur Seite ziehen, doch sie entwand sich ihm und baute sich wieder vor dem Fahrer auf, obwohl dieser mindestens anderthalb Köpfe größer war. »Und wofür willst du mich anzeigen, Arschloch? Für das böse kleine Nigger-Wort, ja? War das deiner Meinung nach politisch unkorrekt, oder hast du einfach bloß einen Scheißtag erwischt?«
    Der Angesprochene drehte sich weg und kramte mit stoischer Ruhe ein Handy aus seiner Hosentasche. In seinem Nacken glitzerten Schweißperlen.
    »Berührt es dich irgendwie unangenehm, dass ich dich einen dreckigen Nigger genannt habe?«, rief Mia seinem Rücken zu. »Hat das deine kleine schwarze Seele verletzt, ja? Oder war es ... Warte, jetzt hab ich's!« Sie schlug sich in gespieltem Erkennen eine Hand vor die Stirn. »Es war, weil ich dich so einfach geduzt habe, nicht wahr?« Um ihre Mundwinkel

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