Blut Von Deinem Blute
spielte ein garstiges kleines Lächeln. »Sie fühlen sich nicht richtig ernst genommen, Sie hochherrlicher, dreckiger Nigger-Arsch!«
Marquette, der die Eskalation mit sichtlicher Betroffenheit verfolgt hatte, trat entschlossen hinter sie und packtesie bei den Schultern. »Das reicht jetzt, Mia!«, schrie er sie an. »Ein für alle Mal!«
Lauras Schwester fuhr herum. »Dieses unfähige Schwein will mich anzeigen, nur weil ich ihm vorwerfe, meine Bilder an die falsche Adresse geliefert zu haben.« Sie lachte wieder, aber ihr Gesicht war rot vor Wut. »Und du, mein Freund, hast mir gar nichts mehr zu sagen, kapier das endlich!« In ihrer Stimme erschien ein neuer Klang. »Ich will, dass du mich endlich in Ruhe lässt!«
Marquette blickte weg. Zu Boden. Seine Hände umklammerten noch immer Mia Bradleys Schultern. Als er sich dessen bewusst wurde, ließ er sie sinken.
Ein paar Meter weiter schickte sich der UPS-Bote an, wieder in seinen Wagen zu steigen.
»Hey, Augenblick, Mann!«, fuhr Mia auf. »Du willst dich doch wohl nicht einfach verpissen und meine Bilder da an der Wand stehen lassen, oder? Tu gefälligst endlich, wofür man dich bezahlt!« Sie stürmte an Marquette vorbei. Dabei fiel ihr Blick auf Leon, und ein Ausdruck von Überraschung huschte über ihr Gesicht. »Wer sind Sie denn?«, herrschte sie ihn an. »Was glotzen Sie so?« Dann rannte sie zu den beiden Kartons hinüber, die an der Mauer lehnten.
Erst jetzt registrierte Leon, dass sie keine Schuhe trug. Ihre Füße waren kräftig und braun gebrannt.
»Ihr könnt mich alle!«, brummte sie, indem sie sich das vordere der beiden Pakete griff. Das Bild, das sich darin befand, musste ein beträchtliches Gewicht haben, denn sie hatte sichtlich Mühe, es anzuheben. »Und lass dir bloß nicht einfallen, irgendwas anzurühren«, zischte sie Marquette an, der ihr gefolgt war. Dann schleppte sie den sperrigenKarton schimpfend und fluchend die enge Gasse entlang, zum Herrenhaus.
»Sie meint es nicht böse«, sagte Marquette, nachdem er eine ganze Weile hinter ihr her geblickt hatte. »Es ist nur ... Sie kann wohl noch immer nicht so ganz einsehen, dass sie als Künstlerin keinen Erfolg hat. Und wenn sie erst mal in Wut gerät, redet sie sich leider um Kopf und Kragen.«
Leon nickte, während er sich im Stillen fragte, warum es der Geschäftsführer des Beau Rivage überhaupt für nötig hielt, ihm gegenüber irgendwelche Erklärungen abzugeben. Aber dann fiel ihm auf, dass Marquette mehr zu sich selbst als zu ihm sprach.
»Das Malen war ihr Traum«, murmelte er gedankenverloren vor sich hin. »So etwas gibt man nicht so einfach auf.« Er seufzte. »Bestimmt hat sie wieder mal irgendwem Bilder von sich angeboten, und der hat sie ihr einfach zurückgeschickt. Dann ist sie immer so ... Na ja, sie hat viel durchgemacht.« Seine Augen streiften Leons Gesicht. »Aber ich will Sie nicht aufhalten. Schließlich haben Sie Urlaub.«
Leon wartete, bis Marquette in der Küche verschwunden war und die Tür hinter sich zugezogen hatte. Dann ging er zu dem zweiten an Mia Bradley adressierten Paket hinüber, das noch immer an der Mauer lehnte, und warf einen flüchtigen Blick auf den Absender. Es war eine Galerie in London.
Bestimmt hat sie wieder mal irgendwem Bilder von sich angeboten, und der hat sie ihr einfach zurückgeschickt . ..
Leon nickte stumm vor sich hin. Die Bilder waren zurückgekommen, und Mia Bradley war darüber so in Wut geraten, dass sie die Kontrolle über sich verloren hatte.
Die Bradley soll ja schon immer solche Wutanfälle gehabt haben , rief ihm Inga Bengtsons Stimme ins Gedächtnis, so mit Herumschreien und Sachen kaputt machen und so. Angeblich war sie sogar mal bei einem Irrenarzt deswegen.
Und ein paar Monate später waren ihre Eltern tot, dachte Leon, ja, ich weiß ...
2
Hin und wieder erwachte sie für einen kurzen Moment.
Sie war zwar noch immer nicht fähig, die Augen zu öffnen, aber es schien zumindest nicht mehr vollkommen finster zu sein. Ein fernes Licht färbte das dünne Häutchen ihrer Lider, die sie nicht heben konnte, dunkelrot. So dunkelrot wie das Blut in der Küche.
Schwarze Fäden zogen vorbei.
Wieder und wieder.
Wie Pappenten an der Rückwand einer Schießbude.
Sie betrachtete sie von innen, während sie auf den Wind lauschte, der irgendwo in weiter Ferne rauschte. Oder war es gar nicht der Wind, was sie hörte? War es das Meer? Weites, wogendes Salzwasser?
Oder Blut?
Das Rauschen von Blut?
Ich verliere den
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