Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth

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Küchentür vorbeigeführt hätte, sondern sie ist zur Vordertür raus und dann außen um das Haus herum.« Er hustete. »Ohne Frühstück, nebenbei bemerkt.«
    »Eigenartig«, sagte Leon.
    Wieso, widersprach der imaginäre Kevin. Genau so was willst du doch hören!
    »Dort in der Scheune, in ihrem sogenannten Atelier, will sie gearbeitet haben, bis sie die Putzfrau schreien hörte«, fuhr Hearing mit unbewegter Miene fort. »Sie rennt ins Haus, um nachzusehen, was passiert ist, dieses Mal übrigens direkt durch die Hintertür, und trifft dort auf die Putzfrau, die irgendwas von Blut und Totschlag brüllt,woraufhin Mia Bradley zum ersten Mal an diesem Morgen einen Blick in die Küche wirft. Und statt die Polizei anzurufen, nimmt sie einen Eimer Wasser und wischt die ganze Bescherung auf.«
    Leon starrte ihn an. »Was?«
    »Sie haben richtig gehört«, nickte Hearing mit einem grimmigen Lächeln. »Mia Bradley sieht ihren Vater und ihre Stiefmutter bestialisch abgeschlachtet in ihrem Blute liegen, und das Erste, was ihr einfällt, ist aufzuwischen.« Er rollte auf seinem Bürostuhl ein Stück vom Schreibtisch weg. »Natürlich hat sie sich später auf einen Schock rausgeredet. Sie habe gar nicht weiter nachgedacht und auch nichts Böses gewollt, bla, bla, bla. Aber wenn Sie mich fragen, erklärt kein Schock der Welt, dass eine Tochter beim Anblick ihrer toten Eltern auf eine so profane Idee wie Putzen kommt.«
    »Und warum hat es nie eine Anklage gegeben?«, fragte Leon, obwohl ihm bewusst war, dass er damit aller Wahrscheinlichkeit nach einen wunden Punkt berührte.
    In Hearings Miene stahl sich ein Hauch von Herausforderung. »Vielleicht, weil die Mädchen einen verdammt guten Anwalt hatten.«
    »Wie das? Sie waren doch beinahe noch Kinder damals.«
    »Oh, was den Anwalt betrifft, konnten wir uns bei Ryan Marquette bedanken.« Hearing stieß ein höhnisches Lachen aus. »Dem Geschäftsführer des Hotels. Er fühlte sich nach Bradleys Tod offenbar für die Mädchen verantwortlich, keine Ahnung wieso. Vielleicht aus alter Freundschaft.« Er griff wieder nach seinem Kaffeebecher. »Jedenfalls stand er zwischen uns und den Mädchen wie eine aufgebrachte Bulldogge.«
    »Glauben Sie, dass die beiden mehr gesagt hätten, wenn dieser Marquette es nicht verhindert hätte?«, fragte Leon.
    »Die Ältere bestimmt nicht«, antwortete Hearing zu Leons Beunruhigung. »Aber Mia vielleicht.« Er dachte einen Augenblick über diese Möglichkeit nach. »Sie wirkte damals eigentlich ganz zugänglich.«
    Leon hatte die Formulierung, die der PPU-Beamte gewählt hatte, sehr wohl registriert. Damals . ..
    »Sehen Sie sie noch ab und zu?«
    Hearing lachte. »Das hier ist eine Insel, schon vergessen?«
    »Ist das ein Ja?«
    Die schwarzen Augen des PPU-Mannes schweiften ab. Zum Fenster, vor dem ein staubiges Rollo baumelte. »Tja, wenn man sie so beobachtet, wie sie über die Insel rennt und mit sich selbst redet, ist man tatsächlich drauf und dran, ihr das Märchen von der Psychopathin abzukaufen.«
    »Folglich glauben Sie nicht, dass sie eine ist?«
    Hearings Reaktion war eindeutig. »Ich habe selten einen berechnenderen und klareren Geist gesehen als den von Mia Bradley«, erklärte er ohne Umschweife. »Und falls sie ihren Vater und ihre Stiefmutter tatsächlich getötet hat, dann ganz sicher nicht, weil sie geistesgestört wäre.«
    »Sondern?« Leon hatte das Gefühl, es nicht mehr auf seinem Sitz auszuhalten. »Welchen Grund könnte sie stattdessen gehabt haben?«
    »Sehen Sie sich den verdammten Kasten, in dem Sie wohnen, doch mal an«, knurrte Hearing anstelle einer Antwort. »Schon damals, vor fünfzehn Jahren, lag uns ein Gutachten vor, das den Wert der Immobilie auf rund 4,5 Millionen Pfund bezifferte.«
    »Es ist Ihrer Meinung nach also tatsächlich um Geld gegangen?«, schloss Leon.
    Der Beamte zuckte die Achseln. »Worum sonst?«
    Ich werde einfach nicht schlau aus ihm, dachte Leon. Ich sitze nun schon fast eine halbe Stunde in diesem Büro und habe noch immer nicht die geringste Ahnung, was er wirklich denkt. Wohin er tendiert. Ob er überhaupt irgendwohin tendiert. »Ich habe gehört, dass Mia Bradley kurz vor den Morden von einem Psychologen in London untersucht worden sein soll«, warf er wenig zuversichtlich den nächsten Köder aus.
    »Möglich«, antwortete Hearing ausweichend, doch Leon sah sofort, dass der PPU-Beamte mit dieser Tatsache bestens vertraut war.
    »Kennen Sie das Ergebnis dieser