Blut Von Deinem Blute
nichts.«
Ryan sah sie an. »Was, um Gottes willen, erwartest du von mir?«
»Dass du endlich einschreitest«, versetzte sie aufgebracht. »Immerhin bist du der Boss hier. Und diese Frau benimmt sich jeden Tag schlimmer. Sie behandelt einen auf eine Art und Weise, die absolut inakzeptabel ist.«
Ryan fragte sich, wo sie diesen letzten Satz aufgeschnappt haben mochte.
»Übrigens auch deine Frau«, setzte Lynn derweil noch einen drauf.
»Lass Ginny aus dem Spiel«, bat Ryan müde.
»Wieso? Immerhin hat sie genauso unter dieser Person zu leiden wie wir alle«, insistierte Lynn. »Also warum in Gottes Namen bringst du sie nicht endlich zur Räson?«
»Mia?!« Er lachte laut auf. »Glaub mir, der Mensch, der Mia Bradley zur Räson bringt, wie du es so nett ausdrückst, muss erst noch geboren werden.«
»Warum zur Hölle nimmst du sie auch noch in Schutz?«
»Ich nehme niemanden in Schutz.«
»Ach nein?!« Ihre Glutaugen funkelten angriffslustig. »Weißt du, was ich glaube?« Sie wartete nicht auf seine Reaktion, sondern sprach einfach weiter: »Ich glaube, du hast Angst vor ihr.«
»Warum sollte ich Angst vor ihr haben?«
Lynn schien zu spüren, dass sie zu weit gegangen war, und schaltete vorsichtshalber einen Gang zurück. »Na ja, vielleicht nicht direkt Angst. Eher ... Ach, Scheiße, du weißt, wie ich das meine.«
»Nein«, versetzte er kühl. »Weiß ich nicht.«
»Okay, dann will ich's dir sagen.« Kein Zweifel, jetzt gewann ihre Angriffslust wieder die Oberhand. »Als wir uns kennengelernt haben, dachte ich, dass du stark bist. Erfolgreich und durchsetzungsfähig. Aber du bringst es ja noch nicht einmal fertig, deiner Frau ins Gesicht zu sagen, dass du sie für ein Stück Scheiße hältst.«
Ryan fuhr herum und packte sie bei den Schultern. »Halt den Mund!«
»Den Teufel werd ich!«, schrie sie. »Du benimmst dich wie der letzte Schlappschwanz. Und wenn ich ...«
Sie verstummte, als ein kräftiger Schlag sie gegen die Wange traf.
Er hatte sich umgehend wieder unter Kontrolle, aber das half nicht viel. Der Schlag war hart gewesen. Sehr hart.
Sie sah ihn aus ungläubigen blauen Augen an, während die Stelle, wo er sie getroffen hatte, unter seinem Blick anschwoll. Zugleich wich alle Farbe aus ihrem jungen Gesicht. Zurück blieb eine kalkige Blässe, aus der heraus ihm der Umriss seiner Hand entgegenleuchtete wie eine Warnung. »Das wirst du mir büßen«, sagte sie mit einer Ruhe, die er angesichts der Sachlage absolut bemerkenswert fand.
»Lynn, ich ...«, setzte er an, doch sie stieß ihn zurück.
»Fass mich nicht an«, zischte sie. Dann raffte sie in aller Eile ihre Sachen zusammen und verschwand, nur mit Slip und BH bekleidet, auf dem Gang.
5
Bernadette Labraque sprach Patois, und Leon verstand kein Wort.
Er hatte mehrere Anläufe gebraucht, um das Cottage der ehemaligen Hausdame des Beau Rivage ausfindig zu machen, was hauptsächlich daran lag, dass es keine richtige Adresse gab, mit der er das Navigationssystem seines Mietwagens hätte füttern können. Im Telefonbuch stand: B. Labraque, Manor Hill, La Croix, wobei sich La Croix als verträumte kleine Gemeinde im Hinterland, vielleicht fünf oder sechs Kilometer nördlich der Hauptstadt St. Helier, entpuppte. Eine Straße namens Manor Hill gab esdort jedoch nicht, sodass Leon nach einer Weile ziellosen Herumirrens schließlich rechts ran gefahren war und eine Gruppe von Radfahrern nach dem Weg gefragt hatte. Doch auch die hatten ihm nicht weiterhelfen können. Erst eine alte Bäuerin, die zufällig vorbeigekommen war, hatte bei der Erwähnung des Namens Labraque freudig genickt und Leon in kaum verständlichem Englisch den Weg nach Manor Hill beschrieben. Und nun saß er also hier, in einer gemütlichen kleinen Wohnküche, und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Bernadette Labraque einen Heidenspaß bereitete, sein verzweifeltes Gesicht zu beobachten, während sie im westnormannischen Dialekt ihrer Vorfahren über das Wetter der nächsten Tage und die Vorzüge des Landlebens plauderte. Sie war sicher an die achtzig, klein und schmächtig, doch um ihren Mund lag eine kraftvolle Linie, die Tüchtigkeit und obendrein eine gehörige Portion Humor verriet.
»Verzeihen Sie«, warf Leon ein, als die alte Dame wieder einmal für einen kurzen Moment innehielt, um Atem zu holen. »Aber mein Französisch ist leider nicht allzu ...«
»Ach Gott, warum sagen Sie denn nichts?«, unterbrach ihn Bernadette Labraque gleich wieder,
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