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Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition)

Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Lyga
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als habe er es eilig, weil er etwas angestellt hatte.
    Die Tür zu 4B war enttäuschend schlicht. Jazz war nicht so naiv, dass er auf ein Schild SERIENKILLER AN BORD oder WILLKOMMEN IM SPIEL , JASPER gehofft hatte, aber er hatte gedacht, es würde möglicherweise irgendeine Art von Hinweis geben …
    Die Tür war abgesperrt. Kein Problem. Seit Jazz laufen konnte, hatte ihm Billy beigebracht, wie man Schlösser knackte, Türen aufbrach und sich mit Kreditkarten Einlass verschaffte. Ein Wohngebäude in New York City bereitete Jazz nicht das geringste Kopfzerbrechen.
    Trotz des leichten Trabs die Stockwerke hinauf, und obwohl er im Begriff stand, etwas Verbotenes zu tun, ging Jazz’ Atem ruhig, und sein Herz schlug mit verlässlicher, eintöniger Vorhersehbarkeit. Mit seinem steifen, eingeschweißten Highschool-Ausweis gelang es ihm beim dritten Versuch, das Schloss zu überlisten, und er musste nicht einmal auf die Auswahl von mitgebrachten Drähten und Haarnadeln zurückgreifen.
    Er holte tief Luft, betrat Belsamos Wohnung und schloss die Tür hinter sich.
    Und sobald er eingetreten war, wusste er Bescheid.
    Er wusste es.
    Er konnte es nicht erklären.
    Falls man ihn auffordern würde, vor Gericht auszusagen – und er befürchtete sehr, dass das der Fall sein würde –, könnte er nichts anderes sagen als: » Ich wusste es. Ich spürte es in meinem Innern. «
    Belsamo war Hut & Hund. Das wusste Jazz jetzt. Er spürte dieselbe Unterströmung von Unrecht , die er zum Ende der Zeit hin gefühlt hatte, die sein Vater in Freiheit verbrachte. Alte Erinnerungen stürmten auf ihn ein: die Zähne in Billys Nachttischschublade, das Messer in der Spüle, Rustys Todeswinseln, als Billy ihn bei lebendigem Leib häutete.
    Jazz streckte eine Hand aus und stützte sich kurz an der Wand ab. Er glaubte nicht an Geister, Dämonen oder anderen übernatürlichen, abergläubischen Unsinn. Billy war ein nüchterner Rationalist gewesen, ein Mann, der nur an das glaubte, was er sehen, berühren und verletzen konnte. Aber in diesem Augenblick fragte sich Jazz, ob alles, was er glaubte, und alles, was er nicht glaubte, vielleicht auf den Kopf zu stellen sei. Vielleicht war das Böse nicht ein chemischer Auslöser im Gehirn und eine versaute Kindheit, vielleicht war das Böse doch etwas Nebulöses und Mystisches, das selbstständig von einem Ort zum andern wandern konnte …
    Hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen! Das ist nur eine Reaktion darauf, dass du es herausgefunden hast. Dass du die Wahrheit kennst.
    Jazz wünschte plötzlich, Connie wäre bei ihm. Oder Howie. Er wollte einfach nicht allein hier sein.
    Es lag an der Ordentlichkeit, befand er. Zum einen stand sie im krassen Gegensatz zu dem schmutzigen, ungepflegten, halben Clochard, den er auf dem Revier erlebt hatte. Der war offenbar gespielt gewesen, ein Schwindel, um die Polizei zu verwirren. Diese Wohnung hier, das war der echte Oliver Belsamo: Wie alles exakt seinen Platz hatte, wie ein Schmuckspiegel an der Wand im vollkommen rechten Winkel zum Boden hing, als würde er regelmäßig mit der Wasserwaage ausgerichtet. Solche Ordnung war auch Billys Manie gewesen, und obwohl Belsamos winziges Appartement nur einen Bruchteil der Größe des Hauses besaß, in dem Jazz aufgewachsen war, vibrierte und leuchtete dieselbe verrückte Energie in ihm, als wäre es vom selben Geist besessen wie das nicht mehr existierende Dent-Haus.
    Doch es ging über die Ordentlichkeit hinaus. Sicher, das Apartment war aufgeräumt, aber es war auch vollgestellt. Zu organisiert. Fast übernatürlich organisiert. Stapel von Zeitschriften, die Rücken exakt ausgerichtet und so geordnet, dass die Farben der Rücken von der dunkelsten zur hellsten verliefen. Bücher, die genau der Höhe und Dicke nach geordnet waren, eine Treppe aus Papier. Jeder Quadratmeter Wand wurde entweder von Regalen oder Stapeln mit Lesestoff beansprucht oder von diesem Spiegel, in den Jazz zu blicken vermied, aus Angst, er könnte etwas darin sehen. Etwas wie Horror in seinen Augen. Oder seine eigene monströse Reaktion auf Belsamos Höhle.
    Oliver Belsamo hatte eindeutig alles aufgehoben, was er je gelesen hatte. Und es nach einem System geordnet, das tief in ihm entsprungen war.
    Das macht ihn zu einem Hamsterer, aber nicht zu einem Serienmörder.
    Jazz hatte eine kleine, billige Taschenlampe in einem Mini-Supermarkt in der Nähe seines Hotels gekauft und ließ nun deren Strahl durch die Wohnung wandern. Es war ein

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