Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition)
er damit fertig war. Die tausend banalen Kleinigkeiten des täglichen Lebens führten dazu, dass er sich vor der Zeit gealtert fühlte, als hätte das Versprechen dieser Tätowierung in dem Moment zu verblassen begonnen, in dem die Tinte trocken gewesen war. Vielleicht sogar, als sie noch feucht war.
Jazz seufzte und sah seinem Atem in der kalten Luft nach. » Hören Sie, Detective Hughes, ich … ich hatte Glück. Einmal. Ich bin mir sicher, Sie tun, was Sie können. Sie haben das FBI und alle Ressourcen des NYPD . Da werde ich keine große zusätzliche Hilfe sein. «
» Das sehe ich anders. « Hughes beugte sich vor, seine Augen waren groß und drängend. » Du verstehst diese Typen, oder? Du hast ein Leben lang Erfahrung mit ihnen, auf eine Weise, die auch der beste und engagierteste Profiler nicht nachvollziehen kann. Alles, was wir tun können, ist, ihnen hinterher Fragen zu stellen. Und wer weiß, ob sie uns die Wahrheit erzählen, oder inwieweit sie sich überhaupt mit der Wahrheit befassen. Du bist anders. Du bist mit ihm aufgewachsen. Als er noch auf der Jagd war. Und er hat dir alles erzählt, oder? «
» Als er noch schürfte …! « , flüsterte Jazz unwillkürlich.
» Was war das? «
» Nichts. «
» Du sagtest ›schürfen‹. Hat es dein Vater so genannt? «
Jazz schob Hughes’ Arm von der Tür fort. » Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich bin siebzehn, Mann. In ein paar Tagen fängt die Schule wieder an für mich. «
» Na und? Ich schreibe dir eine Entschuldigung. Ich schreibe gute Entschuldigungen. « Hughes grinste, seine Zähne waren sehr groß und beinahe raubtierhaft. » Schau, es wäre nur für ein paar Tage. Du kommst zu uns und schaust dir ein paar von den Fallakten an. Fährst zu ein paar Tatorten und machst von deinen besonderen Talenten Gebrauch. « Er wedelte mit der Hand wie ein Zauberer. » Du bist zurück, bevor die Weihnachtsferien um sind. Oder verpasst höchstens einen Schultag. Ich meine es ernst mit der Entschuldigung, ich schreibe sie dir auf NYPD -Briefpapier und alles. Ich lasse sie vom Polizeipräsidenten unterschreiben. Vom Bürgermeister. Du kannst sie auf eBay versteigern, wenn er eines Tages als Präsident kandidiert. «
» Tut mir wirklich leid « , sagte Jazz, und auch wenn es ihm nicht so wahnsinnig leidtat, war es kein großes Kunststück, Hughes in dem Glauben zu lassen. Wenn man » Es tut mir leid « im richtigen Tonfall und mit niedergeschlagenen Augen sagte, glaubten es einem die Leute fast immer.
» Meine Karte « , sagte Hughes und glaubte es wirklich. » Für den Fall, dass du es dir anders überlegst. «
Jazz steckte die Karte in die Tasche, ohne sie anzusehen. » Das werde ich nicht « , sagte er und ging ins Haus.
6
Berühr mich
ertönt die Stimme.
So
fährt sie fort.
Und er tut es.
Er berührt.
Seine Finger gleiten über warmes, geschmeidiges Fleisch.
Berühr mich so
Seine Haut auf ihrer.
Weiter
Wieder die Stimme.
So
Und seine Beine, die Reibung …
Und so warm
So warm
So
Jazz wachte auf, er zitterte, aber nicht vor Kälte. Das alte Haus seiner Großmutter war zugig und undicht wie ein Schlepper nach einem Torpedotreffer, aber der Raumheizkörper neben seinem Bett hielt ihn ausreichend warm.
Er zitterte von dem Traum. Von dem, was er bedeutete. Oder nicht bedeutete. Oder bedeuten könnte.
Er wusste es nicht. An Tagen wie diesen – in Nächten wie dieser – hatte er das Gefühl, nichts zu wissen.
Der neue Traum …
War Sex.
Natürlich. Was sonst?
In dem alten Traum – der jetzt zu gelegentlichen Gastauftritten heruntergestuft zu sein schien, während der neue die Hauptrolle übernahm – hatte er jemanden verletzt. Jemanden mit einem Messer geschnitten. Und die Frage war damals für ihn gewesen: Wie könnte ich wissen, wie es sich anfühlt, jemanden mit einem Messer zu schneiden, wenn ich es nicht tatsächlich schon getan habe? Wie könnte ich es in dieser … Schärfe träumen?
Jazz war noch jungfräulich. Anders als Billy glauben wollte, hatte er noch nie mit jemandem geschlafen. Er hatte schreckliche Angst vor der Möglichkeit und der Wahrscheinlichkeit.
Er sehnte sich natürlich auch danach. Er war schließlich siebzehn und kerngesund. Die Hormone rauschten durch seine Blutbahn wie bei jedem anderen Siebzehnjährigen. Manchmal sehnte er sich so sehr nach Sex, dass er glaubte, vor Verlangen ohnmächtig zu werden. Ihm war schwindlig vor Verlangen nach Sex.
Aber er fürchtete sich vor dem, wozu Sex führen könnte.
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