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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Lärm oben hielt an. Ein regelmäßiges, metallisches
Schlagen über der Schreinerei. Spraggue erinnerte sich an den Grundriß des
Theaters. Die Bühne lag genau über der Schreinerei. Schwere, metallische
Schläge. Genau so ein Geräusch, wie Karen es gemacht hatte, als sie die
ziegelähnlichen Gegengewichte von den Prospektzügen genommen und zugefügt
hatte.
    Spraggue beeilte sich. Wenn
jemand mit den Gewichten herumspielte, mußte er ihn auf frischer Tat ertappen.
Er mußte wissen, welches der schweren Eisenrohre über der Bühne gefährlich
unbalanciert war. Mußte es herausfinden, bevor wieder einer der Schauspieler
auf der Bühne arbeitete.
    Die Tür auf die Bühne war jetzt
direkt vor ihm. Spraggues Hand berührte den Lichtschalter, tauchte den Korridor
in tiefe Dunkelheit. Lautlos drehte er den Türknauf und drückte den rechten
Türflügel auf.
    Im ersten Moment konnte er
nichts sehen, so absolut war die Dunkelheit. Das Schlagen ging weiter. Das
kurze Öffnen der Tür war unbemerkt geblieben.
    Spraggue stand in den Kulissen
auf der linken Seite der Bühne, etwa fünfzehn Meter von dem System der
Gegengewichte auf der rechten Bühnenseite entfernt. Fünfzehn Meter schwarze
Stille, vollgestopft mit Kabeln, Stufen, Plattformen und verschiedenen
Lärmschutzwänden. Er drückte sich gegen die hintere Bühnenwand, setzte sich —
vorsichtig, lautlos — zur rechten Seite in Bewegung, ertastete sich vor jedem
Schritt mit ausgestrecktem Fuß den Weg. Er atmete kaum.
    Er war noch gut sechs Meter
entfernt, als es passierte. Sein Fuß berührte etwas, ein Hindernis. Es fühlte
sich an wie ein Haufen Scheinwerfer unterschiedlicher Größe und Form. Er konnte
nicht darüber hinwegsteigen, fand nicht die paar Zentimeter freien Boden, auf
denen er stehen konnte. Wenn er dagegenstieß, würden die Scheinwerfer
wegrollen, gegeneinander scheppern. Und der Scherzbold würde fliehen.
    Spraggue spannte sich an. Nur
noch sechs Meter, und der Lärm von den Gegengewichten war immer noch rhythmisch
und gleichmäßig. Er ging auf die Knie, tastete auf dem Boden nach einem
geeigneten Werkzeug. Sein ausgestreckter rechter Arm berührte eine
Schraubzwinge. Das mußte reichen.
    Er holte zweimal aus, dann warf
er die Zwinge in die Mitte der Bühne. Sobald sie aufschlug, hart und laut,
richtete Spraggue den Strahl der Taschenlampe in die Kulissen am rechten
Bühnenrand. Er stand vor dem Scherzbold.
    Die erste bewegungslose Sekunde
glaubte Spraggue, er hätte Halluzinationen. Vor ihm stand eine Erscheinung wie
aus einem Alptraum. Ein Vampir: Umhang, Handschuhe, Kapuze, alles in Schwarz.
Kein Gesicht, keine Gesichtszüge, nur Dunkelheit. Die Gestalt wich vor dem
Licht zurück, als wäre der Strahl der Taschenlampe irgendein heiliges Symbol.
Die Gestalt bewegte sich. Erst dann bemerkte Spraggue die erschreckten Augen.
    Die Gestalt schoß auf die
äußerste rechte Ecke des Hauptvorhanges zu. Spraggue nahm die Verfolgung auf,
kletterte über Plattformen und Stufen...
    Später erinnerte er sich sehr
deutlich an die Geräusche. Das Klicken, das durch die Seilzwinge hervorgerufen
worden sein mußte, die sich plötzlich löste, das scharfe Pfeifen der Seile, das
gewaltige Klappern, als das schwere Eisenrohr, plötzlich ohne Gegengewicht, auf
den Rost knallte, das Kabel zerfetzte und herunterfiel. Ein kalter Luftzug
rauschte an seinem Gesicht vorbei; der Boden unter ihm vibrierte. Er griff nach
oben, ein Stück nach vorn und spürte die in einem schrägen Winkel vor ihm
liegende schwere Eisenstange, keinen halben Meter von seinem Kopf entfernt.
    Die plötzliche Stille war
intensiv. Der graue, seit fast einem halben Jahrhundert unberührte Staub
schwebte von oben herab und legte sich wie ein alles erstickender, schmutziger
Schnee über die Bühne.
     
     
     
     

Kapitel Zehn
    Etwas Feuchtes tropfte über
Spraggues Stirn. Als er zitternd eine Hand hob, um die Ursache zu untersuchen,
flammte die Bühnenbeleuchtung auf. Dann ein Schrei von Karen.
    «Bewegen Sie sich nicht», sagte
sie schnell. «Ich rufe einen Krankenwagen. Es wird nicht lange dauern...»
    Spraggue rappelte sich auf.
«Ich brauche keinen», sagte er.
    Mit stählernem Griff
umklammerte sie sein Handgelenk. «Sie bleiben liegen!» zischte sie durch
zusammengebissene Zähne. «Dann eben die Polizei. Was immer Sie wollen. Aber Sie
bleiben einfach still liegen. Wenn Sie sich sehen könnten...»
    Spraggue starrte auf seine
Hand. Dort, wo er die Stirn berührt hatte, waren die Finger

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