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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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im Tresorraum einer Bank. Das Gewicht auf
der Lafette soll das Gewicht ausgleichen, das an den Trägerstangen hängt. Wenn
das der Fall ist, bewegt sich nichts. Der Kronleuchter war nicht richtig
ausbalanciert, das ist alles.»
    Spraggue legte sich auf den
Holzboden zurück. «Ich glaube», sagte er, «daß es erheblich mehr Spaß machen
würde, sich eine Vorstellung von hier aus anzusehen. Man könnte all die
Scheinwerfer aufleuchten und schwächer werden sehen. Die Kulissen würden auf
einen zukommen und dann wieder fortfliegen.»
    Karen lehnte sich auf einen
Ellbogen zurück. «Der ganze technische Kram hat mich schon immer mehr
interessiert. Als Kind hat mich meine Mutter in der Hoffnung immer zum Ballett
mitgenommen, daß ich sie wegen Tanzstunden anbetteln würde. Aber ich hatte nur
Augen für die Scheinwerfer. Wieder zu Hause, hatte ich immer ein steifes
Genick.»
    Spraggue fragte sich, wie
jemand so lange arbeiten und trotzdem noch so aufmerksam wirken konnte. Halb
erwartete er schon, tiefe, dunkle Ringe unter ihren Augen zu entdecken, doch
die Haut dort war genauso bleich und klar wie überall. Kein Make-up.
    Er ließ das nicht unangenehme
Schweigen noch etwas tiefer werden, bevor er es mit einer betont beiläufigen
Frage brach. «Wissen Sie viel über dieses Theater?»
    «Alte Theater sind meine große
Leidenschaft.»
    «Erzählen Sie mir etwas über
das hier.»
    Sie streckte den Arm aus. «Dort
ist Sam Phelps gestorben. Hat sich am vierten Rohr erhängt. Übrigens
ausbalanciert, wie es sich gehört. Auf der Bühne stand ein Gerüst. Er kletterte
hoch, befestigte die Schlinge und trat das Gerüst um. Es war Samstagabend. Er
hing dort bis Montagmorgen.»
    «Glauben Sie, daß sein Geist
noch hier herumspukt?»
    «Es heißt, er soll an jedem
Premierenabend erscheinen», sagte sie. «Im Ernst: nein. Jedes Theater hat seine
Legende. Leute aus dem Showbusiness sind abergläubisch. ‹Hals- und Beinbruch›
statt ‹Viel Glück›. Niemals in den Garderoben pfeifen...»
    «Und nie Macbeth zitieren.»
    «Genau.»
    Spraggue zögerte. «Ist Macbeth je hier aufgeführt worden? Wissen Sie das zufälligerweise?»
    «Einmal. Es war kein Erfolg.»
    «Ist es nie. Ich habe noch mehr Macbeth -Horrorgeschichten gehört — Autounfälle in der Nacht vor der
Premiere, Windpockenepedemien, Flops an den Theaterkassen.»
    «Macbeth war Samuel Phelps letzte
Produktion in diesem Theater. Eine Katastrophe, sowohl bei der Kritik als auch
finanziell. Er hat sich nach der letzten Aufführung umgebracht.»
    «Woher wissen Sie das alles?»
    Sie lächelte. «Ich mache meine
Hausaufgaben. Ich habe bei Goodspeed ein altes Buch über Bostoner Theater gefunden.
Wenn es Sie interessiert, leihe ich es Ihnen gerne mal aus.»
    «Ja, interessiert mich.»
    «Es ist unten.» Mit einer
schnellen, ökonomischen Bewegung stand sie auf.
    Spraggue erhob sich ebenfalls.
«Ich begleite Sie.»
    «Wenn wir das Buch geholt
haben, werden Sie Ihre Szenen noch einmal durchgehen», warnte Karen. «Und dann
machen wir Feierabend. Okay?»
    «Fein. Wie wär’s anschließend
mit einem Eis bei Brigham?»
    «Nein, danke», erwiderte sie
steif.
    «Dann vielleicht ein Drink?
Draußen in der wirklichen Welt ist Samstagabend.»
    «Für mich nur ein weiterer
Abend, an dem ich arbeiten muß.»
    «Sorry.»
    Hinter der Bühne kletterten sie
über ein Kabelgewirr und gingen dann weiter durch die zweiflügelige Tür auf den
finsteren Korridor. Elisabethanischen Fackeln nachgebildete Wandleuchter warfen
schummerige Schatten über den grauen Steinboden.
    «Bewahren Sie das Buch in einer
der Garderoben auf?» erkundigte sich Spraggue. In Eddies? fragte er sich.
    «Im Gemeinschaftsraum. Ich
dachte mir, es würde vielleicht den einen oder anderen der Schauspieler
interessieren.»
    Die erste Tür links führte
unten in den Gemeinschaftsraum. Green room, das englische Wort dafür,
war eher traditionellen Ursprungs als beschreibend. Der green room, der
Aufenthaltsraum der Schauspieler, war in einem schmuddeligen Schlachtschiffgrau
gestrichen. Die einzigen Glanzlichter waren durchgesessene, mit goldenem Chintz
bezogene Sessel und ein Sofa.
    Das Buch fanden sie in einem
der Schränke über der Spüle. Spraggue griff danach.
    «Eddie sagt, Sie hätten ihm das
Leben gerettet», sagte Karen unvermittelt.
    «Schauspieler neigen zu
Übertreibungen.»
    «Nicht Eddie. Es ist komisch.
Ich dachte, ich wäre immun gegen Schauspieler, aber Eddie mag ich. Danke, daß
Sie ihm geholfen haben.»
    Wieder

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