Blut will Blut
Dracula
nicht angefallen», beendete Karen den Gedanken.
«Verdammt.»
«Könnte die Ausnahme sein, die
die Regel bestätigt», meinte Karen hoffnungsvoll.
Spraggue lächelte. «Sie sind
wirklich zu freundlich.»
Sie schenkte ihm eines ihrer
Beinahe-Lächeln. «Ich meine es wirklich. Ich finde nicht, daß Sie die Theorie
schon verwerfen sollten. Sie könnte uns bei der Vorbereitung auf den nächsten
Angriff nützlich sein.»
Spraggue rief sich den Text des
Stückes ins Gedächtnis. «Auf Caroline», sagte er.
«Es sei denn, er versucht es
noch mal bei Emma.»
«Finden wir den Zettel.»
Er lag hinter dem Gestell mit
den Gegengewichten, leicht zerknittert. Spraggue hob ihn vorsichtig mit der
Ecke eines Taschentuches auf. Die Oberfläche war vermutlich sowieso zu rauh, um
Fingerabdrücke feststellen zu können. Er erkannte die Schrift sofort: wieder
Zahlen. III4122.
«Karen», sagte er. «Unten in
meiner Garderobe. Ein Buch auf dem Schminktisch. Altes, braunes Leder. Macbeth. Schlagen sie den dritten Akt, vierte Szene, Zeile einhundertzweiundzwanzig
nach.»
Einen Augenblick starrte sie
ihn verständnislos an, dann verschwand sie.
Spraggue suchte weiter die
Bühne ab. Aber wonach? Irgendeine Spur, etwas, das der Scherzbold in seiner
überstürzten Flucht vielleicht verloren hatte. Etwas, das die fehlende
Personenbeschreibung ausglich, das fehlende Verständnis. Karens Schritte kamen
die Treppe hochgepoltert. Die Schritte stockten, überquerten dann die Bühne.
«Ja», sagte sie, ohne
aufzuschauen.
«Blut fordert Blut», las sie.
Spraggue nahm das Buch und las:
«Es fordert Blut, sagt man:
Blut fordert Blut.
Man sah, daß Fels sich regt,
und Bäume sprachen .» 4
Einen Moment lang standen sie
unbeweglich da. Karen zitterte.
«Ich glaube, wir sollten jetzt
Darien verständigen», sagte Spraggue schließlich.
Kapitel Elf
«Jetzt nicht, Spraggue!»
flüsterte Darien wütend am nächsten Morgen. «Habe ich nicht schon Sorgen genug?
Handwerker überall auf meiner Bühne...»
«Darum kann Karen sich kümmern.
Ich muß mit Ihnen reden.»
«Hören Sie, ich habe praktisch
die ganze Nacht mit Ihnen geredet...»
«Jetzt, Arthur», sagte Spraggue
entschieden.
Mit hochrotem Kopf
entschuldigte sich der Regisseur von dem geschäftigten Treiben auf der Bühne.
Er wich dem Gerüst auf der rechten Bühnenseite aus und verschwand mit Spraggue
in den Kulissen.
«Machen Sie’s kurz», sagte
Darien, milderte seine Worte mit einem schiefen Grinsen.
«Arthur», sagte Spraggue
direkt. «Wieso sind Sie nicht offen und ehrlich zu mir?»
«Ich weiß nicht, was Sie
meinen.» Darien starrte ihn mit seinen blauen Augen unterkühlt an.
«Erkennen Sie das hier?»
Spraggue hielt die Kopie der Nachricht hoch, die er bei der Durchsuchung von
Dariens Büro gefunden hatte.
«Woher haben Sie...», setzte
Darien an, unterbrach sich dann abrupt.
«Richtig.» Spraggue lächelte.
«Sie haben Ihren Text verpatzt. Sie hätten sagen sollen: ‹Was ist das?› Dann
hätte ich Ihnen vielleicht geglaubt, wenn Sie sagten, Sie würden kaum je einen
Blick auf Ihren Schreibtisch werfen. Aber dafür ist es jetzt zu spät.»
«Wie kommen Sie dazu, mein Büro
zu durchsuchen? In meinen persönlichen Dingen herumzuschnüffeln?»
«Wenn Sie nicht kooperieren...»
«Ich muß Ihnen überhaupt nichts
sagen, Spraggue. Haben Sie mich verstanden? Gar nichts muß ich Ihnen sagen!»
«Stimmt, Arthur. Und ich muß
nicht für Sie arbeiten. Suchen Sie sich einen anderen, der zuhört, wie Sie ein
Märchen spinnen...»
«Ich habe Ihnen die Wahrheit
gesagt!»
«Ausgewählte Teile der
Wahrheit! Das ist nicht das gleiche.»
«Wenn Ihnen der Bastard letzte
Nacht nicht entwischt wäre...»
«Ja, Sie haben recht, Arthur.»
Spraggue senkte die Stimme. «Mit den Informationen, die Sie mir gegeben haben,
konnte ich nur auf ein bißchen Glück hoffen. Letzte Nacht war so ein Zufall,
allerdings einer, der sehr leicht alles andere als glücklich für mich hätte
enden können. Beim nächsten Mal sieht es vielleicht anders aus...»
«Ich bezweifle, daß es ein nächstes Mal geben wird, Spraggue. Für Sie. Ich brauche niemanden, der mich verhört,
mein Büro durchsucht, mich wie einen Kriminellen behandelt! Ich habe Sie
engagiert!»
«Und Sie können mich jederzeit
feuern, Arthur. Jederzeit», sagte Spraggue. Er wartete auf das, was als
nächstes kam. Nach all den Zweifeln, ob er den Job annehmen sollte, war
Spraggue jetzt überrascht
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