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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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aufgestoßen. Dracula persönlich
winkte Spraggue in seine Garderobe und schloß dann schnell wieder die Tür.
    John Langford war gut fünf
Zentimeter größer als Spraggue mit seinen einsfünfundachzig. Er kleidete sich
mit einer gekünstelten Lässigkeit, die einiges gekostet haben mußte.
Designer-Jeans, Lederweste, elegant geschnittene Hemden, die sich um seine
breiten Schultern und den modisch nach unten schmaler werdenden Torso
schmiegten. Ein dünnes Goldkettchen um den Hals. Die Intensität, die er in jede
Vorstellung steckte, war auch jetzt spürbar. Sie verhinderte, daß er lächerlich
wirkte, als er einen warnenden Finger an die Lippen hob und die Verbindungstür
zum Nachbarzimmer aufriß. Keine heimlichen Lauscher.
    Spraggue kam sich vor, als wäre
er in eine Lasterhöhle aus Tausendundeiner Nacht verschleppt worden. Orchideen
und unzählige Fotos ihrer selbst in verschiedenen Rollen waren der einzige
Schmuck in Caroline Ambrose’ Garderobe gewesen; darunter unverkennbar eine Lady
Macbeth. Langfords Garderobe hingegen war von Grund auf umgebaut worden.
    Hier gab es einen Teppich.
Keine andere Garderobe hatte einen. Ein abgewetzter, aber knallbunter
Orientteppich, der viel zu groß für den kleinen Raum war — an einem Ende noch
aufgerollt. Spraggue beschloß, daß er ihn sich aus der Requisite angeeignet
haben mußte. Bis auf einen waren sämtliche Stühle entfernt und durch Stapel
grelloranger, und lilafarbener Kissen ersetzt worden. Der prunkvolle Stuhl war
das Gegenstück zu Dariens Büro-Thron. Seine höhlenartige Atmosphäre jedoch
erhielt der Raum durch den Mangel an Licht. Schwere, dunkle Tücher waren vor
die beiden hohen Fenster gehängt worden. Kerzen flackerten in kunstvollen
Messingleuchtern.
    «Ich kann hier drinnen kein
Sonnenlicht zulassen», erklärte Langford angespannt. «Ich habe Arthur gesagt,
wir sollten nur nachts proben, aber er war nicht bereit, mir in diesem Punkt
entgegenzukommen. Oft, wenn die Sonne zu hell ist, wenn ich das Gefühl habe,
ihr grelles Licht nicht mehr ertragen zu können, schlafe ich hier, auf meinen
Kissen, bis die Zeit gekommen ist, zu der ein Vampir sicher umherstreifen
kann.»
    Spraggue nickte, war dankbar,
daß anscheinend keine andere Reaktion erwartet wurde. Die Spätnachmittagssonne
schien den Vampir nicht weiter gestört zu haben, als er mit Emma in seinem
chauffierten Wagen geflohen war. Spraggue spürte die hypnotische Kraft von
Langfords Ausstrahlung und Stimme. Sie war voll und tief, verriet nach vielen
Jahren an amerikanischen Theatern nur noch manchmal seine englische
Kinderstube. Das Ergebnis war eine Diktion, im Vergleich zu der jeder andere
Schauspieler sich anhörte, als würde er seinen Text nur runternuscheln. Die
Stimme, ein Bühnenflüstern, erfüllte den Raum. Es war ihre gewaltige Wucht, entschied Spraggue, die sie zu etwas Besonderem machte. Selbst wenn er mit
größter Lautstärke sprach, schien Langford immer noch das Brüllen eines Löwen
in Reserve zu haben.
    Der Schauspieler ließ sich im
Schneidersitz auf dem Teppich nieder, legte die geöffneten Hände auf die Knie
und bedeutete Spraggue mit einem Kopfnicken, sich ebenfalls zu setzen. Als sich
ihre Augen auf einer Höhe befanden, begann Langford:
    «Ich bin der Überzeugung,
Arthur hätte es mit mir besprechen sollen, bevor er einen Detektiv
einschaltete.»
    Spraggue grinste. Seine wahre
Identität war kein Geheimnis mehr.
    «Er reagiert natürlich
übertrieben», fuhr Langford fort. «Bislang ist nichts Ernstes passiert. Wenn
Arthur mich einfach gefragt hätte...»
    «Ich bin sicher, Arthur wollte
Sie durch nichts von ihrer schauspielerischen Leistung ablenken», sagte
Spraggue. Hier schien im Augenblick ein wenig Schmeichelei angebracht.
    Langford strahlte.
    «Ich würde mich sehr über jede
Idee freuen, die Sie möglicherweise bezüglich des Scherzboldes haben.» Immer
bescheiden bleiben.
    Langford machte ein sehr
ernstes Gesicht. «Ich persönlich gehe die Sache psychologisch an», verkündete
er herablassend.
    «Aha.» Spraggue nickte, ganz
der junge Hawkshaw — eine Detektiv-Figur von Henry C. Bullivant — zum alten
Spürhund. Bei dieser Ermittlung mußte er nichts anderes tun als nur
herausfinden, welche Rolle ihm in der Phantasie jedes einzelnen Schauspielers
zugewiesen worden war. Caroline wollte Koketterie; Langford wollte Respekt,
Anerkennung seiner Autorität. Spraggue merkte, daß er Karens Antipathie den
Angehörigen des Zweitältesten Gewerbes gegenüber von

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