Blut will Blut
noch
gefehlt hatte: eine Diskussion seiner eigenen Vergangenheit. Lektion Nummer
zwei: laß den Mann über sich selbst reden. Selbst ohne Skript klang Caroline
programmiert. Er sagte nichts. Sollte sie doch denken, er wäre schwerhörig.
Nach einem Moment plapperte sie
weiter. «Arthur und ich sind genaugenommen schon eine Ewigkeit befreundet. Ich
bin ihm ja so dankbar. Es ist die alte Geschichte: Nach meinem ersten New
Yorker Engagement hat er mich unter seine Fittiche genommen, und wir sind
eigentlich immer irgendwie in Verbindung geblieben. Ich habe ihm wirklich sehr
viel zu verdanken. Er und Spider und ich, wir waren eine Zeitlang die drei
Musketiere. Man konnte nie einen von uns ohne die beiden anderen finden.»
«Spider?»
«Dennis, Dennis Boland. Ich
sollte ihn nicht Spider nennen. Genaugenommen haßt er es sogar. Ein alter
Spitzname aus Kindertagen. Manchmal wird man sie nur sehr schwer wieder los.»
Spraggue brummte zustimmend.
«Haben Sie ihn noch nicht
kennengelernt? Ein sehr lieber und netter Mann. Er ist Intendant dieses
Theaters. Arthur völlig ergeben... und mir im übrigen auch.»
Spraggue war klar, daß er jetzt
dran war, daß er jetzt etwas sagen sollte wie «Das dürfte nicht weiter
schwierig sein», daß er seinen Part in dem koketten kleinen Sketch übernehmen
sollte, den Caroline Ambrose abspulte.
Wenn auch ein wenig spät, nahm
er sein Stichwort auf. Caroline strahlte. Er hatte den Test bestanden. Von nun
an würde er Michael Spraggue sein, dieser reizende junge Schauspieler. Er biß
sich auf die Unterlippe.
«Es ist schon eine ziemlich
traurige Geschichte», ratschte sie weiter. «Spider-Dennis — hatte eine sehr
grausame Jugend, kommt aus sehr armen Verhältnissen. Er und Arthur waren schon
als kleine Jungs in New York befreundet. Irgendwann verloren sie sich dann aus
den Augen. Es ist so leicht, jemanden aus den Augen zu verlieren. Arthur hatte
schon immer dieses Genie, wissen Sie. Stipendien, renommierte
Ostküsten-Colleges. Und dann, als er schon ein renommierter New Yorker
Regisseur war, ging er auf eine Party. Und da war Spider, sein bester Freund
aus alten Tagen. Ich glaube, seitdem haben sie sich nicht mehr getrennt.» Sie
seufzte. Jedes Wort klang, als wäre es schon viele Male geprobt, jede Geste,
jede anmutige Kopfbewegung viele Male einstudiert worden. Das Seufzen
vervollständigte die Geschichte. Wieder sein Stichwort. Spraggue suchte nach
der erwarteten Antwort.
«Und so freundeten Sie sich
ebenfalls mit Spider an.»
Sie sah ihn mit großen
dunkelblauen Augen an. «Aber natürlich. Er ist ein Schatz. Ich war damals noch
mit Domingo verheiratet, meinem dritten Ehemann. Domingo de Renza.»
Sie unterbrach sich einen
Moment. Spraggue nickte aufmunternd. De Renza, hmh? Emma hatte nicht
übertrieben, was den Reichtum von Carolines Ex betraf.
«Domingo mochte Spider gut
leiden.» Caroline lachte, ein sorgfältig kalibriertes Tremolo. «Er hat uns auf
der Plantage besucht, hat praktisch bei uns gelebt.» Mit einer anmutigen
Armbewegung deutete sie auf einen üppigen Strauß violett und gelb getupfter und
gestreifter Blüten. «Domingo schickt mir immer noch Blumen, wissen Sie. Jeden
Tag. Und Spider arrangiert sie für mich. Er bewundert Orchideen, und er weiß,
wie sehr es mich freut, wenn sie wirklich gut arrangiert werden.»
«Wie nett von ihm», sagte
Spraggue, hatte das Gefühl, zunehmend tiefer in eine Salon-Komödie verstrickt
zu werden, während er vergeblich versuchte, zu der Frage zurückzukehren, wer
ihrer Meinung nach den Stolperdraht angebracht hatte. Nicht, daß ihre Meinung
besonders fundiert gewesen wäre. Sie lebte in einer Phantasiewelt.
«Ich liebe es, jeden Morgen in
die Garderobe zu kommen und hier etwas so Zartes und Exotisches vorzufinden.
Diesen Teil meiner Persönlichkeit hat Domingo sehr gut verstanden.» Sie
entfernte einen violetten Zweig von dem Gesteck und hielt ihn an ihre Wange.
«Ich trage sie nur selten, aber allein zu wissen, daß sie jederzeit greifbar
sind, hebt meine Laune beträchtlich. Das ist auch der Grund, warum ich glaube,
daß sie sie neulich gestohlen hat.»
«Sie?»
«Emma, Schätzchen. Darüber reden wir hier doch, oder nicht? Wer den Stolperdraht gespannt hat. Vielleicht
sollte ich ein paar meiner Orchideen zu Arthurs Party tragen.»
«Wann hat Emma Ihre Blumen
gestohlen?»
«Lassen Sie mich nachdenken. Es
ist noch nicht lange her. Letzten Montag, glaube ich. Natürlich hat sie es
abgestritten. Aber ich wußte es einfach.
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