Blut will Blut
Markt. Heute gehört es einer Holdinggesellschaft. Du
weißt schon, Michael, Acme oder Bonded oder Universal oder
so etwas. Ich versuche im Moment noch, den Namen herauszubekommen.»
«Bleib dran. Was ist mit Phelps
Enkeln?»
«Niete.»
«Was ist mit den
Lebenslauffotos, um die ich dich gebeten habe?»
«Zeit, Michael. Das alles
dauert seine Zeit. Morgen vielleicht...»
«Ich muß jetzt los. Hör zu,
wenn ich dich heute abend zu Dariens Gala für die Finanziers einlade, wirst du
dann kommen?»
«Was ist heute für ein Tag?»
«Montag.»
«Komischer Wochentag für eine
Party.»
«Wem sagst du das. Montag ist
‹Ruhetag› in Boston. Sämtliche Theater sind geschlossen. Was vermutlich der Grund
ist, wieso der alte Phelps seine Soireen auf die Montage verlegt hatte. Und
wenn Phelps es gemacht hat, dann kann Darien es schon lange.»
«Ich komme gern.»
«Jamie Blakeley wird auch
dasein», warnte Spraggue.
«Aha. Aber auch John Langford.»
Tante Mary seufzte verträumt.
«Ich muß jetzt wieder zur
Probe.»
«Michael, ich habe hier
Papiere, die du unterzeichnen mußt.»
«Finanzieller Kram?»
«Was sonst?»
«Wie wär’s mit Fälschen?»
schlug Spraggue vor. «Ich sollte dir einfach eine Handlungsvollmacht geben.» |
«Unsinn. Das geben die Alten
und Schwachen den Jungen, nicht umgekehrt.»
«Ich unterschreibe alles, was
du willst, sobald ich eine Minute erübrigen kann.»
«Da ist ein Geschäftsbericht
von deinem kalifornischen Weingut. Wirklich keine schlechte Investition.»
«Lob aus dem Mund des Meisters
will etwas heißen...»
«Auch wenn ich vermute, daß du
dort eher wegen einer gewissen Lady statt des Geldes eingestiegen bist. Ich
habe hier einen Brief von deinem Kompagnon Kate.»
«Mach ihn nicht auf.
Wahrscheinlich ist er obszön.»
«Michael!»
«Bye, Tante Mary. Wir sehen uns
dann heute abend.» Er legte auf und kehrte zum Theater zurück.
Hatte er irgend etwas
vergessen? Die Macbeth-Querverbindung : Caroline hatte die Lady Macbeth
gespielt. Langford den Macbeth. Die Fotos: einer der weniger bekannten
Schauspieler konnte den Lebenslauf eines anderen benutzt, einfach sein eigenes
Foto eingeklebt haben. Künstlernamen... Hudson, Fachmann für gestellte Kämpfe
auf der Bühne... Jamie Blakeley. Um den würde Mary sich kümmern. Sie würde fein
säuberlich sein Innerstes nach außen kehren, die Füllung genau unter die Lupe
nehmen und ihn anschließend wieder in seinen vorherigen Zustand
zurückversetzen.
Spraggue nahm den langen,
kühlen Korridor zur Treppe, ging zu den Garderoben hinunter. Gerade noch Zeit
genug, einen Blick in Karens Buch über Bostoner Theater zu werfen, im Index
nach Querverweisen auf Phelps — junior oder senior — zu suchen.
Zwei Söhne: George und Thomas.
Noch Kinder, als sich Vater Samuel das Leben genommen hatte? Georgie und Tommy.
Nein. Spraggue erinnerte sich an das Foto, an den grauhaarigen Mann mit dem
üppigen Bart. Mußte schon weit in den Sechzigern gewesen sein, als er starb.
Erwachsene Kinder. Was war mit diesem Foto ? Samuel Borgmann Phelps.
Georgie Phelps. Tommy Phelps.
Georgie Phelps. Georgina Phelps. Georgina Phillips!
Spraggue holte Karens Buch vom
Regal über seinem Schminktisch. Während er zu Georginas Garderobe ging,
blätterte er. Ihre Tür war verschlossen.
Spraggue klopfte an. Keine
Antwort. Er öffnete die Tür.
Da stand das Foto. Jünger zwar,
der Bart gepflegter, dunkler, die stechenden Augen unverkennbar. Samuel
Borgmann Phelps.
Ungläubig schüttelte Spraggue
den Kopf.
Kapitel
Fünfzehn
«Jeder an seinen Platz!
Drei-fünf. Letzter Akt, letzte Szene!» Karens Ruf hallte durch den Korridor,
aber Spraggue rührte sich nicht.
«Spraggue? Mit Ihnen alles in
Ordnung?»
«Ja.»
«Kann ich etwas für Sie tun?»
«Sie können mich Michael
nennen.»
Er wurde mit einem flüchtigen,
kurzen und beherrschten Lächeln belohnt.
«Im Ernst», sagte er, nahm
seinen Blick von dem Foto an Georginas Garderobenwand. «Wo ist Georgie?»
«Sie tritt nur im ersten Akt
auf. Wahrscheinlich spazieren. Sind Sie sicher, daß mit Ihnen alles in Ordnung
ist?»
«Ja, ja, alles bestens.»
«Dann ab auf die Bühne. Darien
läuft schon grün an.»
Spraggue folgte der
Inspizientin die Treppe hinauf.
Arthur Darien kochte. «Wo ist
Langford?» wollte er wissen. «Ist John nicht unten? Sie haben doch gesagt, er
wäre im Haus...»
«In seiner Garderobe, Arthur»,
erwiderte Karen besänftigend. «Ist schon unterwegs.»
Caroline Ambrose,
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