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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Egal. In Dariens Augen funkelte ein irrer Blick.
    Er analysierte die Lage —
Wasser unter und hinter ihm, die Polizei auf beiden Seiten. Er schätzte die
Entfernung von Brücke zu Wasser, ein armseliger Plumps von zweieinhalb Metern
in matschige Schmach, kein phantastischer Golden-Gate-Sprung. Und die ganze
Zeit wurden diese großen, starrenden Augen keine Sekunde unsicher; er hielt das
Messer in der Hand, bewegte sich langsam in einem weiten Halbkreis. Sein Mund
öffnete und schloß sich, und ein rauhes, schluchzendes Geräusch löste sich aus
seiner Kehle. Es dauerte eine Weile, bis Spraggue erkannte, daß es ein Lachen
war. Als Darien schließlich wieder den Mund aufmachte, klang seine Stimme
vollkommen beherrscht.
    Er redete mit Spraggue, als
wären sie allein — netter Onkel möchte gern erklären. «Ich wollte schon immer Macbeth inszenieren», sagte er, als wäre es der natürliche Anfang einer Unterhaltung
auf einer Brücke mitten in der Nacht und im Visier von fünf sechsschüssigen
S&W-Revolvern. «Und wollen Sie wissen, warum?»
    Von der anderen Seite der
Brücke nickte Hurley eifrig. «Warum?» fragte Spraggue, viel zu laut.
    «Weil ich den Schluß so
ungeheuer ausdrucksstark finde. Sie erinnern sich: ‹Ich will mich nicht
ergeben, um zu küssen den Boden vor des Knaben Malcolm Fuß.›» 9
    «Ja», sagte Spraggue. «Werfen
Sie das Messer ins Wasser, Arthur.»
    «Macbeth hatte unrecht, unrecht
während des ganzen Stückes. Er hat Ehre gegen Verleumdung eingetauscht, Liebe
gegen Haß.» An dieser Stelle schwankte Dariens Stimme. «Aber Macbeth stirbt als
Held! Genau so würde ich es inszenieren. Er weiß, daß er sterben wird, und doch
kämpft er. (Frisch zu, Macduff; und verdammt sei der, der zuerst «Halt, genug!»
ruft.»› 9
    Es hätte eigentlich einfach nur
lächerlich wirken müssen. Ein alter Mann mit einem Messer, Regen und Tränen
strömten über sein Gesicht, während er vor der Polizei Shakespeare zitierte.
    «Tötet mich», bat Darien. «Ich
will mich nicht ergeben.»
    «Niemand wird Sie töten», sagte
Hurley. «Legen Sie das Messer fort.»
    «Ihr versteht immer noch nicht.
Ja, wißt ihr denn nicht, was ich war? Ich habe getrunken, Spraggue, aber ich
war ein großer Regisseur. Die Menschen sollten sich an meinen Namen erinnern,
nicht wie an Nichols, nicht wie an Papp, sondern wie an Stanislavsky, wie an
Meyerhold. Die Klassiker des Theaters...»
    «Wie an Samuel Borgmann
Phelps», sagte Spraggue.
    «Ja. Aber dieser Druck, dieser
ungeheure Druck. Ich habe getrunken. Und sie wußten es. Und es kamen
keine Manuskripte und Regiebücher mehr. Kein Mensch wollte mir mehr vertrauen;
kein Mensch wollte meine Inszenierungen finanzieren. Ich brauchte das Geld,
Spraggue. Um mich selbst wieder zu beweisen. Und es hätte funktioniert. Mit
diesem Stück wäre ich wieder ganz nach oben gekommen, dorthin, wohin ich
gehöre. Verstehen Sie das nicht?»
    «Aber Langford kam Ihnen in den
Weg?»
    Darien versuchte zu lachen, es
gelang ihm nicht. «Er wußte es. Wie ein schlauer, kleiner Pfadfinder kam er vor
der Aufführung zu mir, sprudelte über mit seinen Neuigkeiten. Er hat keine
Sekunde vermutet, daß ich etwas damit...»
    «Spider», sagte Spraggue.
    «Ja. Er glaubte, Spider wäre
derjenige, der die Fäden zog. Kein Mensch hat mich herumkommandiert, Spraggue. Ich hatte das Szepter in der Hand. Wer war denn schon Langford? Ein Schauspieler,
eine Marionette. Ich habe ihn tanzen lassen; mir hat er seinen Applaus zu
verdanken. Mir. Und das konnte ich für jeden Schauspieler tun. Auch für Sie.
Wozu brauchte ich Langford?»
    «Legen Sie das Messer fort,
Arthur.»
    «Nein.» Mit der linken Hand
knöpfte er seinen Mantel auf, öffnete sein Hemd.
    «Macbeth würde sich niemals
umbringen», sagte Spraggue.
    Der Regisseur drehte sich zu
ihm um. Ein Lächeln ließ seine irren Augen leuchten. «Ja, ich erinnere mich.
‹Weshalb sollt’ ich den röm’schen Narren spielen, sterbend durchs eigene
Schwert?) Stimmt’s? (Solange Leben noch vor mir sind, stehn denen Wunden
besser.)» 10 Während er sprach, wurde seine Stimme wütender,
entschlossener. Er hob sein Messer und stürzte sich auf Spraggue.
    «Ich werde mit ihm fertig!»
rief Spraggue. «Nicht schießen!»
    Er sprang zurück, und die
Spitze des Messers schoß keine drei Zentimeter an seiner Brust vorbei. Blaues
Licht schimmerte auf der Klinge. Spraggue riß seine durchnäßte Jacke herunter,
wickelte sie um den linken Unterarm, benutzte sie als Schutz, lockte

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