Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
Adalbert achtete nicht weiter darauf, sondern hielt jetzt seinen Zeigefinger hoch.
» Erstens: Ein Schild, wie ihr ihn alle habt, ist von jemandem gemacht worden. Allein die Tatsache, dass er existiert, beweist, dass es einen Schildmacher geben muss. Also muss auch der Kosmos und die gesamte Natur, die vergehende Zeit und die Größe des Himmels eine Ursache und einen Schöpfer haben. Einen Schöpfer, der nicht verschwindet oder sich verändert, und der nicht begrenzt ist, sondern unendlich.«
Er schwieg und sah in die Runde, einige standen mit offenem Mund da, und ein paar anderen schien es vage zu dämmern, was er damit sagen wollte. » Parturient montes, nascetur ridiculus mus«, sagte Gjallandi. Adalbert deutete eine Verbeugung an.
Atli knurrte unwillig. » Schon wieder verdammtes Latein – was hat er gesagt?«
» Der Berg kreißte und gebar nichts als eine lächerliche Maus«, übersetzte Gjallandi, aber dadurch wurde er auch nicht schlauer.
» Es ist ein Zitat von einem alten Römer namens Horaz über Dichtung, und eigentlich bedeutet es, dass man sich einen Haufen Arbeit macht, aber nichts dafür vorzeigen kann«, erklärte Gjallandi, ehe Krähenbeins strenger zweifarbiger Blick auch ihn verstummen ließ.
» Wenn du Horaz kennst, dann kennst du vielleicht auch Aristoteles«, fuhr Adalbert fort, indem er die Hände faltete und sich höflich vor Gjallandi verbeugte. » Wenn ja, dann wirst du dich vielleicht erinnern, dass er sagte, dass dieser unbewegte Beweger Gott sein müsse. Um es kurz zu machen, wenn es einen Schildmacher gibt, der Schilde macht, dann muss es auch einen Gott geben, um Bäume zu machen, das Meer und auch die Plünderer, die darauf angefahren kommen, und schließlich auch arme Mönche auf der Insel des heiligen Columban.«
Das verstanden alle, und sie nickten bewundernd. Atli warf den Kopf zurück und stieß ein Wolfsheulen aus, worüber Styr lachen musste. Adalbert hielt den zweiten Finger hoch.
» Zweitens: Es gibt den Einwand«, sagte er, » dass es keinen Gott geben kann, denn er könnte doch nicht erlauben, dass so viel Böses auf der Welt passiert – etwa wie das hier. Nur zum Beispiel. Schlimme Sachen eben. In Wahrheit ist aber das Gegenteil der Fall.«
» Aliquando bonus dormitat Homerus«, rezitierte Gjallandi.
» Ach, nicht schon wieder, du großmäuliges Arschloch«, brüllte Atli ärgerlich. » Wenn der Mönch das verdammte Nordisch beherrscht, warum kannst du es dann nicht auch?«
Gjallandi runzelte die Stirn, aber Atli sah ihn ebenso finster an.
» Es heißt«, sagte Gjallandi, » dass selbst der große Homer manchmal schläft.«
» Wer zum Kuckuck ist dieser Homer, und was hat der mit uns zu tun?«, brummte Styr und kratzte sich am Kopf.
» Einfacher wäre es zu sagen: ›Man kann nicht jedes Mal gewinnen.‹ Ich glaube, der Priester verliert«, erklärte Gjallandi.
» Warum sagst du das dann nicht?«, schimpfte Atli. » Schließlich ist das kein Geheimnis, das sieht doch jeder.«
Er funkelte Adalbert böse an. » Und was hat dieser Aristoteles Homer darüber zu sagen, dass du dir selber einen Strick drehst? Du solltest doch bestreiten, dass dein Gott existiert! Du hast gute Argumente, aber die gehen alle in die verkehrte Richtung.«
Selbst Krähenbein musste lachen, und Adalbert senkte den Kopf, als Mugron verzweifelt verkündete, wobei er vor Aufregung vom Lateinischen ins Irische verfiel, dass Adalbert als Märtyrer sterben werde.
» Allein die Existenz des Bösen macht es notwendig, dass es auch eine Existenz des Guten geben muss, ebenso wie die Freiheit eines jeden Menschen, zwischen den beiden zu wählen«, fuhr Adalbert fort, anscheinend völlig ungerührt. » Nur Gott kann uns – seinen Geschöpfen – diese Freiheit geben, andernfalls wäre es uns schon von Natur aus vorbestimmt, wie dem Schaf oder dem Ochsen. Und in der Tatsache, dass wir diese Wahl und unseren freien Willen haben, zeigt sich nicht nur eine göttliche Gegenwart, sondern auch, dass ein Funke seiner Göttlichkeit in uns lebt, in unseren unsterblichen Seelen.«
» Mann, davon kriegt man ja Kopfschmerzen«, stöhnte Styr.
» Du bist so gut wie tot«, stieß Krähenbein zwischen den Zähnen hervor, er war verwirrt. » Es sei denn«, fuhr er fort, » dein drittes Argument ist so gut, dass es alles, was du bisher gesagt hast, wieder zunichtemacht.«
Adalbert hielt den dritten Finger hoch. Es war ganz still, bis auf Olafs Röcheln. Selbst Notker und Mugron hielten den Atem an.
»
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