Blutberg - Kriminalroman
das reicht, um normale Männer so mir nichts, dir nichts in Schwule zu verwandeln? Ist das vielleicht sogar eine anerkannte Theorie innerhalb der Medizin?«
Viktor verwandelte sich erneut in ein Nervenbündel und murmelte etwas Unverständliches.
Árni konnte nicht aufhören. »Und was für Geschlechtskrankheiten sind dann üblich an so einem Ort?«, fragte er,
und beglückwünschte sich gleichzeitig dazu, wie verdammt routiniert er schon geworden war. »In so einer Schwulenbrutstätte wie Kárahnjúkar?«
»Du drehst mir die Worte im Munde um«, schnaubte Viktor. »Du kannst dich wieder mit mir unterhalten, wenn du erwachsen bist.« Mit diesen Worten stand er auf, marschierte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Scheiße, dachte Árni. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Er klatschte sich ein paar Mal mit der flachen Hand vor die Stirn. Das half aber nichts.
Die Gruppe hatte sich noch vergrößert, auf Róberts Liste standen mittlerweile siebenunddreißig Namen. Birgir deutete mit dem Kopf in Richtung einiger portugiesischer Arbeiter, die am Ende der Halle dicht beieinander standen.
»Guck dir die an«, sagte er.
Róbert, der vor Kälte zitterte und sich unablässig in die Hände hauchte, versuchte zu nicken. »Was ist mit ihnen?« Vor lauter Zähneklappern war er kaum zu verstehen.
»Mann, du musst dich bewegen«, sagte Birgir und erhob sich von dem Stahlträger, auf dem sie saßen. »Du bist ja viel zu dünn angezogen. Los, marsch.«
»Ich war gerade im Büro, als sie kamen«, sagte Róbert und sah ärgerlich auf seine Hausschuhe herunter. »Die haben mir keine Chance gegeben, mir was anzuziehen. Immerhin hatte ich den Fleece-Pullover und Wollsocken an.«
»Ich hatte Glück«, erklärte Birgir grinsend, »ich war gerade auf dem Weg nach draußen, als sie kamen. Hatte mir auch schon die Mütze aufgesetzt. Die meiste Wärme verliert man am Kopf, wusstest du das?« Er ließ seine Pranke auf die zierlichen Schultern seines Kameraden niedergehen, um ihn in die richtige Richtung zu drehen. »Jedenfalls, was diese Typen betrifft«, sagte er und wies mit dem Kinn in Richtung der
Portugiesen. »Achte mal auf die Hände von denen, wenn wir da vorbeikommen.«
Róbert reckte sich, um Birgir fragend anzusehen, doch der schüttelte nur den Kopf. »Sieh dir die Hände an. Aber nicht hinstarren, das macht sich nicht bezahlt.« Róbert tat, wie geheißen. Das Flüstern der Männer verstummte, als sie sich näherten, und sie machten den Mund erst wieder auf, als die beiden sich wieder weit genug entfernt hatten. Einige von ihnen hatten zur Seite geblickt, andere hatten sie alles andere als freundlich angestarrt. Birgir grinste ihnen zu. Róbert hatte schon wegen der Kälte eine ordentliche Gänsehaut, aber im Vorbeigehen verstärkte sie sich noch.
»Weshalb verhalten die sich jetzt auf einmal so?«, fragte er leise. »Ich habe vorhin mit denen allen gesprochen, sie haben mir ihre Namen genannt, und da war ihr Verhalten ganz anders.«
»Ja, da kamen sie einzeln«, sagte Birgir, »da hatten sie sich noch nicht zusammengerottet. Außerdem bin ich mir gar nicht so sicher, ob du ihre richtigen Namen bekommen hast.« Er grinste breit. »Die sind bestimmt nicht scharf darauf, auf so einer Liste zu stehen, wie du sie da erstellst.«
»Weshalb nicht? Und was bedeutet dieses Tattoo?« Einige von den Portugiesen hatten die geballten Fäuste in die Taschen gesteckt, aber nicht alle. Zwei von denen, die sie unverwandt angeglotzt hatten, hielten sogar die Hände so gekreuzt, dass die linke oben war, wie um sicherzustellen, dass die Tätowierung zu sehen war.
»Ich hab dir doch von dieser Brücke erzählt, die ich in die Luft gesprengt habe?«, fragte Birgir. Róbert nickte. »Okay, das war ja eigentlich mehr ein Witz. Ein schlechter Witz, meine Kumpel und ich hatten gesoffen und wollten unbedingt irgendwas in die Luft jagen, und dazu war die alte Brücke ideal. Ich meine, am nächsten Tag sollte die neue dem Verkehr übergeben
werden, wir haben da einfach die getane Arbeit gefeiert. Den Brückenbau, wie gesagt.«
»Und was hat das mit dieser Sache zu tun?«
Birgirs Mund entströmten Dampfwolken, während er überlegte, wie viel er dem kleinen Knirps neben sich erzählen sollte.
»Für diese Gaudi war ich nicht lange im Knast«, sagte er schließlich. »Es kam zu einem Deal. Ich habe eine Strafe bezahlt und durfte wieder meiner Wege gehen. Oder besser gesagt, mein Vater hat die Strafe bezahlt, ich war natürlich total blank.
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