Blutberg - Kriminalroman
für sicherer, diese Meinung einstweilen für sich zu behalten.
23
Dienstag/Mittwoch
»Wer hat da was gemacht?«, fragte Stefán stellvertretend für alle. Eydís und Auðunn befreiten sich von Mützen und Handschuhen und ließen sich auf zwei Stühle fallen. Beide atmeten schwer und waren knallrot im Gesicht, am meisten Auðunn, der die ganze Zeit draußen auf der Veranda Wache geschoben hatte.
»Leifur, Friðrik und ein paar Leute vom SEK haben vor ein paar Minuten Lárus Einarsson in Handschellen abgeführt«, sagte Eydís, »den letzten Sicherheitsbeauftragten der NPC hier vor Ort.«
»Wohin sind sie mit ihm? In die Lagerhalle?«
»Nein, das glaube ich nicht«, erklärte Auðunn eifrig, »ich habe sie über einen Hubschrauber reden gehört, als sie an mir vorbeigingen. Leifur und seine Leute, meine ich, die anderen kamen hinterher und hatten Lárus zwischen sich. Und dann sind sie in zwei Jeeps gestiegen und losgedüst.«
»Und unterdessen sitzen wir hier nur ein paar Meter entfernt auf unseren Ärschen und merken nichts«, sagte Stefán ärgerlich. »Aber warte mal, wieso Lárus? Die glauben doch wohl nicht, dass der die verdammte Brücke gesprengt hat? Er war mit mir unten in der Schlucht und saß im Wagen vor mir,
und wir wollten gerade wieder hochfahren, nachdem ich die Aktion abgeblasen hatte, als die Brücke vor unser beiden Augen explodierte.«
»Unser aller Augen«, warf Árni ein, doch niemand hörte ihn.
»Ich habe ihn von hinten gesehen«, sagte Stefán, »er saß da auf dem Beifahrersitz und telefonierte, als es passierte.«
»Das mit dem Handy könnte die Erklärung sein. Der Hund …« Eydís biss sich auf die Lippen. »Ich meine, Friðjón und ich, wir waren den ganzen Tag bei der Brücke, und wir haben Splitter von einem Handy gefunden. Und verschiedene andere Kleinigkeiten. Es hat den Anschein, als wäre Dynamit verwendet worden, und die Zündvorrichtung war an ein Handy angeschlossen. Genauso wie voriges Jahr in Madrid, ihr erinnert euch?«
»Mannomann«, sagte Árni, und diesmal hörten ihn die anderen und stimmten ihm jeder auf seine Weise zu. Sogar Guðni. Eydís beeilte sich mit gebührender Vorsicht, diese vorläufige Theorie etwas abzumildern.
»Das ist das, was wir glauben «, betonte sie. »Die Sache muss noch sehr viel genauer untersucht werden.«
»In Ordnung«, sagte Stefán, »die Ärmsten haben also endlich ihren terroristischen Anschlag bekommen, nach dem sie sich so lange gesehnt haben. Ich bin mir aber keineswegs sicher, ob sie den richtigen Mann erwischt haben. Das wird sich wahrscheinlich früher oder später herausstellen. Im Interesse von Lárus hoffentlich früher. Aber das Ganze hat auch sein Gutes, denn es bedeutet hoffentlich, dass wir dieses SEK-Gedöns erst mal los sind und hier ungestört unsere Arbeit fortsetzen können. Hast du da drinnen bei Halldór etwas Brauchbares gefunden, Eydís?«
»Wie brauchbar, wird sich noch herausstellen müssen«, antwortete sie. »Ich habe eine Menge Fingerabdrücke genommen,
und im Eingangsbereich waren zwei riesige Schuhabdrücke.« Sie sah Stefán argwöhnisch an. »Ich brauche deinen rechten Schuh zum Vergleich, warst du nicht auch da drinnen?« Stefán gab das ohne ein Zeichen von Reue in seiner Stimme ohne weiteres zu. »Na, schön«, fuhr Eydís fort, »außerdem sind da noch einige Haare und natürlich noch andere Dinge. Ich hab auch höchstens erst die Hälfte geschafft. Habt ihr an die Türklinke gefasst?«, fragte sie dann, und sah Stefán und Steinþór an. »Von innen? Oder habt ihr etwas anderes angerührt?« Beide verneinten das. »Schön«, sagte sie, »dann mache ich weiter.«
»Was ist mit dem Hund? Kommt er nicht?«, fragte Stefán.
»Nein, der ist schnurstracks nach Egilsstaðir gefahren und fliegt morgen zurück nach Reykjavík. Er war stinksauer, weil er heute Abend nicht mehr weggekommen ist. Leifur hat versucht, ihn dazu zu verdonnern, dass er die Mannschaft wieder zurücktrommelt und den Brückenansatz genauer untersucht. Er hat ihm wohl alles Mögliche angedroht, aber du weißt ja, wie Friðjón ist, das hat ihm ganz und gar nicht gepasst.« Sie lächelte. »Falls er zurückkommt, dann frühestens morgen, und zwar, um unten in der Schlucht alles zu durchkämmen. Dabei muss ich ihm dann bestimmt assistieren. Ich werde also die Arbeit in Halldórs Apartment heute Abend noch abschließen und mit der anderen anfangen, bei - wie hieß er doch noch? Wessen Unterkunft sollte ich noch unter die Lupe
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