Blutberg - Kriminalroman
vielleicht sogar ein Freund, obwohl wir privat nur wenig Kontakt hatten. Björn und Halldor und di Tommasso kannte ich auch relativ gut, und dann waren da noch diese Drohbriefe und die Brücke und … nun auch noch das. Mord. Ich … ich kann das einfach nicht glauben. Absolut nicht. Aber das hat einen eben alles mitgenommen, wie gesagt, ich stehe seit ein paar Tagen irgendwie komplett neben mir. Und alles, was Ásmundur in dem Brief sagt,
stimmt, auch dass er sehr enttäuscht darüber war, dass er - dass er …«
Matthías schloss die Augen, stampfte mit den Füßen auf und schlug sich mit geballter Faust aufs Knie, um nicht von neuem in Tränen auszubrechen. »Dass er diese Bitte ignorierte, wie er sich ausdrückt. Faktisch war ich unglaublich wütend, weil ich davon ausging, dass er wusste, wie wichtig es war, nicht unnötigerweise eine Angriffsfläche zu bieten. Lárus hatte das begriffen, Björn auch, doch Ásmundur …« Er schüttelte resigniert den Kopf. Katrín und Árni warteten geduldig auf die Fortsetzung. So lange er reden wollte, galt es für sie zu schweigen.
»Ásmundur hat es vorgezogen, das nicht zu tun«, fuhr Matthías schließlich fort. »Er ist zwar auf der Besprechung nicht so ins Detail gegangen wie hier in seinem Brief, aber er hat genug gesagt, um uns in Schwierigkeiten zu bringen. Nichts, aus dem wir uns nicht hätten herauslavieren können - doch der Brief, das war eine ganz andere Sache. Diese … diese Seite, die ich an mich genommen habe, die war mehr als brisant, das habe ich gleich beim ersten Lesen gesehen. Und als ich merkte, dass der Brief immer noch einen logischen Zusammenhang ergab, auch wenn ich sie entfernen würde, da habe ich der Versuchung nicht widerstehen können und sie weggenommen. Ich hätte ja immer sagen können, dass sie auf dem Boden gelegen hatte, wenn sie … wenn eure Kollegen das bemerkt hätten, aber das war ja nicht der Fall.« Nun blickte er hoch und sah Katrín direkt in die Augen. »Aber den Brief habe ich erst gelesen, erst gesehen, als euer Kollege da, wie heißt er doch noch, Steinþór? Diesen Brief habe ich erst zu Gesicht bekommen, als er ihn mir am Sonntag überreichte und bat, ihn per Fax an euch weiterzuleiten. Er hat mir gestattet, ihn zu lesen, und ich konnte wie gesagt der Versuchung nicht widerstehen, als ich feststellte, dass der logische Zusammenhang
erhalten bleiben würde, auch wenn eine Seite fehlt, und da habe ich sie entfernt. Ich habe Ásmundur aber nicht umgebracht. Ich wäre niemals imstande, einen Menschen umzubringen.«
Er richtete sich auf, verschränkte die Arme und zog die Nase hoch. Mehr hatte er nicht zu sagen.
»Du lügst«, sagte Katrín leise. »Ásmundur hat dich in der Nacht angerufen und dich um Hilfe und Unterstützung gebeten, und du bist zu ihm gegangen und hast ihn erwürgt. Hast die Seite entwendet und …«
»Nein«, erklärte Matthías noch leiser, »das habe ich nicht getan.«
Ganz gleich, wie scharf Katrín ihn anging, Matthías blieb unerschütterlich bei seiner Version. Katrín vergewisserte sich, dass weder Scheren, Brieföffner oder ähnliche Werkzeuge im Zimmer herumlagen, bat ihn um einen Augenblick Geduld, nahm den Brief zur Hand und bedeutete Árni, ihr auf den Flur zu folgen.
»Er scheint ziemlich fit zu sein«, flüsterte Árni ihr draußen zu, »so gesehen hätte er ihn bestimmt ohne Hilfe aufhängen können. Es liegt auch genug vor, um ihn fürs Erste aus dem Verkehr zu ziehen, im Interesse der Ermittlung oder wie immer das heißt. Bis wir grünes Licht für die Festnahme bekommen.«
»Mehr als genug«, entgegnete Katrín ebenfalls flüsternd, »ich bin mir aber nicht sicher, ob das erforderlich ist.«
»Glaubst du ihm etwa?«, fragte Árni erstaunt und vielleicht ein wenig lauter als beabsichtigt.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Katrín kopfschüttelnd. »Aber darum geht es eigentlich nicht. Tatsache ist, dass er sich im Augenblick wohl kaum absetzen kann, wir würden ihn jederzeit schnappen. Sicherheitshalber können wir die Zuständigen
am Flughafen in Keflavík in Kenntnis setzen, damit er das Land nicht verlassen kann, und Stefán wird dann morgen früh das Weitere veranlassen.«
»Sollten wir ihn nicht doch lieber jetzt wecken?«, fragte Árni. Wieder schüttelte Katrín den Kopf. »Er hat klar und deutlich gesagt, dass es reichen würde, ihn erst morgen früh zu informieren, egal, was wir aus Matthías herausbekommen. Er und Guðni kriegen heute Nacht ihren Schlaf, wir morgen.
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