Blutberg - Kriminalroman
Kaffee und einem Schmalzkringel am Tisch saß. Es kam ihm so vor, als hätte er weder das eine noch das andere angerührt. Nicht nur älter war er geworden, sondern auch viel gebeugter; das war ein ganz anderer Mann als der, bei dem Birgir aufgewachsen war. Dieser knallharte Typ, dieses Arbeitstier hatte sich in einen Jammerlappen verwandelt. Gewiss hatte er viel verloren; es nahm einen zwar schon mit, einen Bruder zu verlieren, aber bestimmt noch mehr, wenn es um den eigenen Sohn ging. Und dann noch einen Sohn wie Halldór. Und selbstverständlich hatte die Wahrheit über das Mustersöhnchen die Sache auch nicht verbessert, im Grunde genommen hatte er ihn zweimal verloren. Trotzdem verspürte Birgir kein Mitleid. Der Alte hatte die Gefahr vorausgesehen, hatte ihm ständig was von dem verdammten Grat vorgelabert und sich auch oft genug bei Ásmundur darüber beschwert, aber was war dabei herausgekommen? Nichts. Nur Gemeckere darüber, dass Ásmundur nichts unternahm, mehr nicht. Nein, dem Alten war es nicht zu verdanken, dass sie beide noch lebten, dass der Grat nicht auf sie heruntergekracht war, während sie eine von den Millionen Kipperladungen planierten, die da unterhalb von ihm ausgeleert worden waren. Ganz im Gegenteil, der Alte hatte die Schuld daran, dass Halldór tot war. Er hätte da etwas unternehmen und verhindern müssen, dass so etwas
geschehen konnte. Aber Ásmundur war zumindest auch tot. Immerhin etwas.
»Komm«, sagte er entschlossen, »wir müssen uns beeilen, wenn wir das Flugzeug nicht verpassen wollen. Wir müssen die Beerdigung vorbereiten, oder soll Mama das vielleicht ganz alleine machen?« Valdimar blickte hoch, rotäugig, übernächtigt und am Ende seiner Kräfte. Man könnte glauben, er stünde unter Stoff, dachte Birgir. Aber er stand auf, der dämliche Kerl. Nickte und stand auf, nahm den Schmalzkringel und ging wie in Trance zur Tür.
»Du darfst also das Gelände verlassen?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Birgir, »die haben irgendjemanden geschnappt, hieß es in den Nachrichten. Und diese blöden schwarzen Affen, die mich eingelocht haben, sind verschwunden. Deswegen kann ich jetzt wohl abhauen.« Er trieb seinen Vater zur Eile an, setzte sich die Mütze auf den Kopf und schob ihn zur Tür hinaus.
»Was hast du mit dem Zeug gemacht?«, fragte er, als beide im Jeep saßen. »Mit dem Dope und dem Geld?«
»Ich habe es mir vom Hals geschafft«, murmelte Valdimar und starrte mit leerem Blick durch das Seitenfenster.
»Gut«, sagte Birgir. Mehr wollte er nicht wissen. Er ließ den Motor an. Am liebsten hätte er den Alten hiergelassen, aber seine Mutter bestand darauf, dass er ihn mitbrachte.
Katrín hatte das Gefühl zu verbluten. Sobald ich wieder in Reykjavík bin, lass ich mir einen Termin geben, um diese verdammte Spirale entfernen zu lassen, nahm sie sich vor. Die Frage war bloß, was sie stattdessen verwendete. Die sogenannte Hormonspirale war wohl viel angenehmer, hatte sie gehört, die Blutungen blieben sogar fast aus, ganz im Gegensatz zu dieser blöden Spirale, die sie offensichtlich verstärkten. Das hörte sich zwar ziemlich gut an, doch trotzdem fand
sie bei näherer Betrachtung die Vorstellung, nie mehr ihre Tage zu bekommen, unangenehm, wenn nicht sogar unnatürlich. Sie war jung, sie war gesund, und ihre biologische Uhr tickte. Nicht, dass sie vorhatte, weitere Kinder in die Welt zu setzen, das konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, aber man musste doch auch verhüten können, ohne den gesunden Hormonhaushalt des Körpers sozusagen auf den Kopf zu stellen. Die Pille hatte natürlich diesbezüglich dieselben Auswirkungen. Und ein Pessar war einfach nicht sicher genug. Blieben also nur Kondome. Trotz ihrer Beschwerden, die im Verlauf des Morgens beständig zugenommen hatten, musste sie innerlich lächeln. Das war dann Svennis Problem. Sie wusste, dass er sauer werden würde. Aber er hatte die Wahl, Enthaltsamkeit oder Kondome, bitte sehr. Sie zog den Slip hoch und warf den Abfall in den Eimer, wie es sich gehörte.
Auf dem Parkplatz vor dem Verwaltungsgebäude war die klare Luft des Hochlands zwar ein wenig durch Dieselgestank getrübt, doch Katrín ignorierte das, stand mit geschlossenen Augen da und atmete tief durch. Eydís hatte sich den Inhalt der Tüte angesehen und bestätigt, dass das weiße Pulver Amphetamin war. Sie hatte sämtliche Fingerabdrücke eingescannt und nach Reykjavík geschickt. Die Kollegen im Labor hatten ihr versprochen, sich nach
Weitere Kostenlose Bücher