Blutberg - Kriminalroman
Ragnhildur. Árni mit seinen wasserblauen Augen blickte sehnsüchtig zu Ásta hinüber und lächelte ihr unauffällig zu, aber doch so, dass Stefán es bemerkte und seine Schlüsse zog.
»Bestell ein Großraumtaxi«, sagte er zu Ragnhildur. »Wir nehmen Guðni mit.«
Guðni hörte auf zu grölen. »Nehmt mich mit wohin?«
»Weg von hier«, sagte Stefán, »wir gehen jetzt.«
»Mannomann, jetzt entspann dich doch mal, die Party fängt ja gerade erst an. Außerdem brauche ich gar kein Scheißtaxi, wenn ich überhaupt gehe, dann in meine Bar, und wir sind ja direkt beim Zentrum.«
Er ließ seine Hand auf Sveinns Schulter fallen und setzte wieder mit heiserer Stimme an: » Scharlachsteif war der Zauberstab, und mächtig ging er auf und ab …«
Sveinn wollte nicht nachstehen und fiel lauthals in die nächste Strophe ein: » Er traf die Maid zwischen die Bein’, da will die Maid verzaubert sein …«
»Angeblich hatten sie also nicht die geringste Ahnung, nicht zu fassen«, murmelte Matthías mit zusammengebissenen Zähnen. Er und Ásmundur waren allein im Konferenzzimmer zurückgeblieben. »Sie haben alle von diesem verdammten Grat gewusst, und genau deswegen hat er auch gefragt.« Ein zustimmendes Kopfnicken begleitete seine Analyse der Lage. »Eine Schlammschlacht vermeiden, Mensch, leck mich doch.«
Er sah Ásmundur an, der mit leerem Blick auf die weiße Wand starrte und die Hände im Schoß gefaltet hatte. Sie kannten sich seit fast zwanzig Jahren und hatten - mit Unterbrechungen dazwischen - immer wieder zusammengearbeitet. Ásmundur war um einiges älter als Matthías und außerdem von Natur aus wesentlich zurückhaltender. Sie waren zwar nicht direkt Freunde, aber doch gute Bekannte, und bislang hatte ihre Zusammenarbeit immer ausgezeichnet geklappt. Zum dritten Mal innerhalb von sieben Jahren befanden sie sich nun in denselben Rollen zusammen am gleichen
Ort: Matthías als leitender Ingenieur und Ásmundur als leitender Sicherheitsbeauftragter der NPC. Obwohl oder vielleicht gerade weil dieses Projekt um ein Vielfaches größer und ganz anders war als die vorausgegangenen, war Matthías froh gewesen, einen Mann zur Seite zu haben, den er kannte und dem er im Hinblick auf die Sicherheit voll und ganz vertraute. Und ausgerechnet jetzt musste dieser blöde Depp alles vermasseln. Natürlich sollte er ihm eigentlich gehörig den Marsch blasen. Ihm den Kopf abreißen. Matthías sah Ásmundur wieder an und schüttelte den Kopf.
»Geh und versuch, ein wenig Schlaf zu bekommen, Ásmundur«, sagte er leise. »Die Inspekteure möchten zwar sicherlich sofort mit dir reden, aber ich glaube, du solltest dich lieber etwas hinlegen. Ich werde sie in die Schlucht begleiten, wenn sie das unbedingt noch heute Nacht in Augenschein nehmen wollen, du kannst dann einfach morgen früh noch einmal mit ihnen hingehen. In Ordnung?« Ásmundur antwortete nicht, nickte noch nicht einmal mit dem Kopf. Stand nur auf und verließ den Raum, gebückt und langsam, wie ein Schlafwandler. Oder ein Geist, dachte Matthías. Oder ein Mann in einem Leichenzug - vielleicht sogar seinem eigenen? Auf jeden Fall konnte er seine weitere Karriere begraben, so viel stand fest.
»Wenn irgendjemand dafür gehängt wird«, murmelte Matthías, als sich die Tür hinter Ásmundur schloss, »dann du.«
»Entweder kommst du jetzt mit mir mit«, erklärte Katrín scharf, »oder du brauchst gar nicht erst nach Hause zu kommen.« Sveinn hob kapitulierend die Hände und verdrehte die Augen.
»Siehst du, wie ich behandelt werde?«, fragte er Guðni, der schon halb aus dem Auto gestiegen war. »Ist sie in der Arbeit auch so?«
»Noch viel schlimmer«, sagte Guðni. »Was sagst du, Amigo, kommst du mit in die Bar oder lässt du dich von deiner Alten herumkommandieren?«
Sveinn überlegte einen Augenblick, bevor er Guðni entschuldigend anlächelte. »Ich glaube, ich geh lieber nach Hause«, sagte er. »Es ist schon so spät und …«
Guðni griente. » Home, sweet home «, sagte er höhnisch. »Okay. Aber ich werde einen draufmachen. See you .« Er hob die Hand zum Abschied und schlug die Wagentür zu. » Sucker «, murmelte er und spuckte einige Tabaksfetzen aus.
»Der verdammte Kerl hat keine Krone bezahlt«, sagte Katrín. »Typisch.«
»Das Geld werde ich ihm am Montag abknöpfen«, brummte Stefán auf dem Beifahrersitz und wandte sich dem Taxifahrer zu. »Dann nach Háaleiti und als Nächstes ins Vogar-Viertel.«
Guðni blickte dem Taxi
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