Blutbraut
›zurückhält‹.«
Aber bedeutete das nicht etwa … »Dann machen sie dich für die Männer verantwortlich, die Rafael erschossen hat?«
»Nein. Denn selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich Rafael niemals den Befehl dazu erteilen können. Außerdem ist Rafael ›nur‹ mein Freund. Er steht nicht unter meinem Schutz wie Jorge oder die Menschen in San Isandro. Was Rafael tut, dafür bin ich nicht verantwortlich. ¡Gracias a Dios!«
»Das heißt, sie werden Rafael …«
Seine Hand strich abermals sanft über meinen Rücken. »Du musst dir um Rafael keine Gedanken machen. Ich habe mich bereit erklärt, den Blutpreis für die drei Männer zu bezahlen. Deshalb wird er ungeschoren davonkommen.« Er ließ die Hand auf meiner Hüfte liegen. »Nein, Tomás hatte gar keine andere Wahl, letztlich musste auch er klein beigeben.« Ich spürte, wie er mich fast unmerklich näher zog. »Das ändert nichts daran, dass sie mich dafür bezahlen lassen werden, dass ich meinen Status behalte.«
»Bezahlen?« Meine Stimme klang dünn.
»Sie erwarten von mir, dass ich weiter Nosferatu jage. Und dass ich alles daransetze, den Alten zur Strecke zu bringen. Also letztlich genau das, was ich die ganze Zeit schon getan habe, und genau das, was ich sowieso vorhatte.« Er schob mich ein kleines Stück von sich weg. »Ich bin derzeit das kleinere Übel.
Und sie wissen, wie ich bezüglich der Nosferatu denke. Und dass sich daran nichts geändert hat.« Sacht strich er mir erneut eine Strähne hinters Ohr. »Also hoffen sie, dass eine Moreira-Blutbraut die Bestie in mir in Schach hält.« Seine Fingerspitzen verharrten auf meiner Wange. »Das Eis ist dünn, mi luz. Aber es trägt mich noch. Und ich setze darauf, dass es mit der Zeit wieder dicker wird. Du musst dir also keine Sorgen machen.« Er sah mir in die Augen. »Aber das alles ist unwichtig. Mich interessiert nur eines: Wie geht es weiter? Mit uns.«
Ich starrte ihn an, machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Sofort gab er mich frei. Seine Arme sanken herab.
Er würde mich gehen lassen. Selbst jetzt noch. Er würde mich nicht zwingen, bei ihm zu bleiben …
Ich erwachte wie aus einer Trance. »Nein!« Heftig schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich will nicht weg. Ich will hierbleiben. Deshalb wollte ich doch mit dir reden. Ich wollte dir sagen, dass ich zurück nach Santa Reyada komme. Ich wollte … ich wollte dir sagen, dass ich deine Blutbraut werde … irgendwie, aber … aber …« Plötzlich konnte ich nur noch stammeln. Ich klappte den Mund zu.
Jetzt war es Joaquín, der mich anstarrte. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Vier. »Du … bleibst?«, fragte er dann vorsichtig.
Seltsam verlegen nickte ich. Und fand mich im nächsten Moment auf seinen Armen wieder und wurde unter wildem Gelächter herumgewirbelt. Ich kreischte, klammerte mich an seinen Schultern fest. »Joaquín! Dein Rücken! Nicht! Nicht! Lass mich runter! Aufhören.« Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich auf mich hörte. Irgendwie landeten wir auf einer der Liegen. Völlig außer Atem. Beide. Meine Haare hingen in meinem Mund. Prustend zupfte ich sie mir wieder heraus.
Joaquín rappelte sich als Erster wieder auf und stand auf. Er legte den Kopf in den Nacken. »Sie bleibt!«, schrie er zum Himmel hinauf. Hastig sah ich mich um, meine Wangen brannten. Zwei seiner Leute zogen sich gerade wieder vom Rand der Terrasse zurück. Ich glaubte, zumindest einen lächeln zu sehen. Beim Haus verschwand Rafael eben wieder im Innern.
Joaquín war vor mir auf die Knie gesunken. »Ist das dein Ernst? Du bleibst wirklich bei mir?«
Ich nickte. In meiner Kehle saß ein riesiger Kloß. Ich hätte kein vernünftiges Wort hervorgebracht.
Er schloss die Augen, murmelte etwas auf Spanisch, das wie ein Gebet klang, und sah mich wieder an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, mi luz. Erst rettest du mein Leben und dann das.« Seine Stimme war nur ein Flüstern. Behutsam lehnte er die Stirn gegen meine. »Te quiero.«
Ich brauchte zwei Anläufe, bis ich den Kloß weit genug hinuntergewürgt hatte, um zumindest einen halbwegs vernünftigen Laut hervorzubringen. »Versprich mir, dass du nie wieder einen solchen … Todesspieß basteln wirst. Und dass du beim nächsten Mal vorher wenigstens mit mir sprichst, ehe du mir so was«, ich wies auf das Tattoo an meinem Knöchel, »verpasst. Im ersten Moment hätte ich dir nämlich den Hals umdrehen können deswegen.«
Er räusperte sich leise, lehnte sich ein kleines
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