Blutbraut
einer Sekunde zur nächsten totenstill.
»Cris.« Grollend. Rau. Kehlig.
Oh mein Gott, nein! Er. Ich hatte vollkommen die Zeit vergessen.
Hinter mir atmete Cris zischend aus. Ich spürte, dass er an mir vorbeiging. »Nein!« Natürlich griff ich ins Leere, als ich ihn zurückhalten wollte. Der Baseballschläger klapperte zu Boden. Hektisch zerrte ich mir das Tuch von den Augen – und blinzelte ein paarmal, bis ich wieder klar sehen konnte. Cris verschwand gerade in dem Durchgang nach draußen.
Elena vertrat mir den Weg, als ich hinterherwollte. »Lass …«
Ich schob sie beiseite, stürmte ihm nach.
Auf der Terrasse kam ich stolpernd zum Stehen. »… ich dir heute Morgen gesagt habe, nicht zu verstehen? Ist nicht schon genug passiert? Wie kannst du es wagen, sie von Santa Reyada wegzubringen? Jetzt! Hierher! Du hast ganz San Isandro in Gefahr gebracht. Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Joaquín hatte seinen Bruder gegen die Wand neben dem Durchgang gedrückt, noch halb in die Ranken mit den gelben Blüten, die Hand an seiner Kehle. Jedes Wort war ein Knurren. Ich konnte seine Fänge sehen. Cris keuchte, versuchte, ihn von sich zu drücken.
»Aufhören! Lass ihn los! Er hat niemanden in Gefahr gebracht! « Mir wurde erst klar, dass ich an seinem Arm zerrte, als er Cris freigab und vor mir zurückwich, als stünde ich in Flammen. Was ihn nicht daran hinderte, mit einem Zischen zu mir herumzufahren.
»Und du … so viel Herzlosigkeit hätte ich dir am allerwenigsten zugetraut.«
Seine Wut traf mich so überraschend, dass ich rückwärtstaumelte. »Herzlosigkeit? Aber wieso … ?« Ich versuchte erst gar nicht, meine Verwirrung zu verbergen.
»Miguel ist vergangene Nacht getötet worden. Jacinta trauert und die halbe Stadt mit ihr.« Er spuckte die nächsten Worte geradezu aus. »Und du feierst hier Partys.«
»Was?« Ich riss die Augen auf. Miguel, der sich noch gestern am Ende meiner Fahrstunde grinsend darüber beschwert hatte, dass ich noch keinen Kratzer in seinem Auto fabriziert hatte, tot?
Seine waren plötzlich schmal. »Du hast nichts davon gewusst? «
Irgendwie benommen schüttelte ich den Kopf. »Was ist passiert? «
»Letzte Nacht ist der Wagen, den Miguel sich geliehen hatte, in die Luft gejagt worden. Mit ihm und seiner Verlobten im Inneren. Sie wollten gerade von einem Club in San Diego nach Hause fahren. Der Brandsatz muss an die Zündung gekoppelt gewesen sein.«
Alles in mir verkrampfte sich. Ich presste die Handflächen gegeneinander. Der Gedanke war da, auch wenn ich ihn nicht wahrhaben wollte.
»Es war dein Wagen.« Von dem jeder seiner Feinde wusste, dass er ihm gehörte.
»Sí.«
»Seine Verlobte ist auch dunkelhaarig.« So wie ich.
»Sí.«
»Sie sind beide tot.«
»Sí. – Niemand hätte da eine Chance gehabt.«
»Wurde noch jemand verletzt?«
»No. – Zum Glück.«
Ich presste die Hände fester gegeneinander. »Das Ganze galt uns, nicht wahr?«
Er zögerte, nickte schließlich. »Wahrscheinlich.«
»Und … Cris wusste davon?«
Wieder ein Nicken. »Natürlich. Deshalb war ich doch in L.A. – Deshalb habe ich dich ja seinem Schutz anvertraut.« Er stieß ein Knurren aus. »Ein Fehler, den ich wirklich zum allerletzten Mal begangen habe.«
Ich schluckte, sah Cris an. »Ist das wahr?«
Er wich meinem Blick aus. Wut kroch in mir hoch, kalt und seltsam würgend. Ich ballte die Fäuste. »Ich hatte dich gefragt, was passiert ist. Du hast gesagt: ›Nichts Wichtiges.‹« Plötzlich war mir danach, irgendetwas zu zerschlagen. »Zwei Menschen sind tot.« Meinetwegen! »Miguel ist tot. Und das ist bei dir ›nichts Wichtiges‹?« Meine Stimme war immer lauter geworden. Jetzt ergaben seine Worte für mich Sinn. Oh mein Gott. »Wie konntest du nur, Cris.« Ich schüttelte den Kopf. »Und dann bringst du mich auch noch hierher? Obwohl irgendjemand in der letzten Nacht nicht davor zurückgeschreckt ist, ein Auto in die Luft zu jagen, weil er«, uns, »deinen Bruder und mich töten wollte. Mit einer Bombe. Mit der er weiß der Himmel wie viele Unschuldige hätte mit umbringen können? « Abermals schüttelte ich den Kopf, machte einen Schritt zurück, fort von ihm. »Lieber Himmel, Cris, wie konntest du nur.«
Sekundenlang hing ein erschreckendes Schweigen zwischen uns. Dann stieß Cris sich abrupt von der Wand ab. »Ja, wie konnte ich nur …?«, fauchte er. »Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, dir an deinem Fest einen schönen Tag machen zu
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