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Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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die Bestellungen unter dem Christbaum finden, die sie das ganze Jahr über in die Wunschzettel-App ihrer Mobiltelefone getippt hatten, war der Sonndoblersche Weihnachtsabend gelaufen.
    Die Sonndoblers hatten die verwaisten Zwillinge Albert junior und Lucy vor knapp dreizehn Jahren adoptiert, nachdem klar war, dass Isabel zum seit Generationen florierenden Kinderreichtum der Schlüters nicht würde beitragen können. Sonndobler war der Ansicht gewesen, den Wunsch seiner jungen Frau nach zwei Kindern in einem Rutsch zu erfüllen wäre das Praktischste.
    Zwei Wochen vor Weihnachten flatterten nur noch einzelne Last-Minute-Wünsche von Albert junior und Lucy auf Annemarie Käpplis Tisch. Albert Sonndobler wusste, dass er sich auch in diesen Dingen voll und ganz auf sie verlassen konnte. Sie war darauf erpicht, ihm reibungsarme Weihnachten zu bescheren, damit er sich wenigstens ein paar Tage entspannen könnte. Er würde sie danach wie in jedem Jahr mit auf die im Januar und Februar beinahe wöchentlich anstehenden Dienstreisen nach St. Moritz und Davos nehmen. Ohne sie wäre er auf den zahlreichen Events im Engadin, deren Hauptsponsor die Caisse Suisse war und bei denen er seine Bank repräsentieren musste, aufgeschmissen gewesen. Und auf dem Weltwirtschaftsgipfel erst. So viele Namen, so viele Gesichter. Ohne das PC-Programm Management of Important Persons, das MIP-System, wie sie es intern nannten, das auf Sonndoblers persönlichen Wunsch im Unternehmen etabliert worden war, wäre er auf diesen Anlässen und Partys glatt untergegangen. Die oberste Schaltzentrale des MIP-Systems war Annemarie Käppli. Nur sie wusste, wer für Sonndobler wichtig war, wen er mochte, wen er mögen musste, wen er grundsätzlich oder zurzeit mied.
    Kurzum: Mit seiner Sekretärin verband Albert Sonndobler ein besonders starkes Vertrauensverhältnis. Und freilich hatten beide auch noch ein ganz anderes Verhältnis. Ein äußerst vertrauliches.
    Doch bevor diese schönen St.-Moritzer-Tage beginnen würden, müsste Sonndobler die Familienhölle überstehen. Er sank noch ein paar Zentimeter tiefer in seinem Ledersessel zusammen. Seine ansonsten eindrucksvolle Figur, die die meisten seiner Untergebenen und Kunden überragte (was dazu beitrug, dass er auf Zusammenkünften immer im Mittelpunkt stand), schnurrte auf die Maße eines verschrumpelten Buchhalters in einer der unteren Etagen der Bankzentrale zusammen.
    Er richtete sich ein wenig auf, als es an der Tür klopfte. Er hörte aus dem leisen Pochen heraus, dass Annemarie gezögert hatte, ihn zu stören. Selbst das Klopfen seiner Sekretärin an seiner Bürotür kannte er aus dem Effeff.
    »Bitte!«
    »Herr Sonndobler, ein Kurier, der sich nicht abweisen lässt«, meldete Annemarie Käppli vorsichtig. »Er hat eine wichtige Weihnachtsbotschaft eines unserer besten Kunden, sagt er. Er darf sie nur Ihnen überbringen. Persönlich.« Im Büro und in der Öffentlichkeit siezten sich Annemarie Käppli und Albert Sonndobler.
    »Welcher Kunde?«
    »Will er auch nur Ihnen sagen.«
    Sonndobler schnaubte. Dann wurde er chefmäßig. »Wie kommt der eigentlich hier rauf? Kann hier jeder Hinz und Kunz an unserer Pforte vorbei und schnurstracks in das Büro des CEO marschieren? Ich muss unserem Sicherheitsmann mal den Marsch blasen.« Er stand auf, straffte seinen Körper, den er in seiner Jugend mit Gewichtheben und Rudern trainiert hatte, und durchmaß mit langen Schritten das Vorstandsbüro. Er stürmte an Annemarie Käppli vorbei ins Vorzimmer.
    Dort stand ein äußerst gepflegter Mann um die dreißig. Er trug einen hellgrau-blauen Fischgrätanzug, den Sonndobler mit geübtem Blick als Zegna Su Misura einordnete. Eine dezente Krawatte, mit großem italienischen Knoten gebunden, und ein weißes Einstecktuch perfektionierten den Dreiteiler. Mit beiden Händen hielt der Mann ein schwarzes Lederportefeuille vor dem Bauch.
    Sonndobler umkurvte den Schreibtisch seiner Chefsekretärin. Um ein Haar hätte er das opulente Blumenbouquet mit dem rechten Ellbogen mitgenommen. Er stoppte einen Meter vor dem Mann. »Sonndobler. Was kann ich für Sie tun?«
    Der Fremde nahm das Portefeuille in die Linke und reichte Sonndobler die Rechte zum Gruß. »Alexandre d’Annecy. Sehr erfreut, Herr Dr. Sonndobler. Es tut mir sehr leid, wenn ich Sie störe. Ich habe eine Botschaft der Luxor-Fondsgesellschaft für Sie.« Damit ließ er Sonndoblers Hand los und öffnete die schmale Aktentasche, um ihr einen weißen Umschlag zu

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