Bluteis: Thriller (German Edition)
verbracht hatten.
Durch den Tumult gellten plötzlich Schreie. »Feuer! Fire! Feu! Fuego! костёр!«, brüllten die Konferenzteilnehmer in allen Sprachen der Welt. Sie versuchten die Fenster mit den Stühlen einzuwerfen, doch die Scheiben waren in Erwartung der Tagung gegen kugelsicheres Spezialglas ausgetauscht worden. Sie drückten die Knöpfe des Feueralarms, doch die Leitungen waren ebenso unterbrochen wie die der Sprinkleranlage.
Sonntag, 7. April, 10 Uhr 07
Refuge du Goûter
Thien blickte mit Entsetzen auf die schwarze Frau. Sie hielt das Smartphone in der Hand, schnellte auf die Füße und rannte hinter die Theke, vor der die bulligen Kämpfer standen. Er hätte Markus Denninger am liebsten mit irgendeinem Gegenstand die Zähne eingeschlagen, aber er hatte nichts, was sich dafür eignete. Sollte er die Flucht ergreifen oder dieser Irren hinterher? Sie hatte ihre Maschinenpistole im Kampf verloren, doch Thien wollte sich auch nicht wie der alte Mann eben von den ferngesteuerten Männern ummähen lassen. Er musste verhindern, dass die Frau diese Kampfmonster in Bewegung setzte.
Er sprintete ihr nach und entdeckte hinter einem Glasrahmen eine Feueraxt. Er schlug die Scheibe mit dem Ellbogen ein, riss die Hacke aus der Halterung und stürzte sich auf die Frau. Er hob die breite Schneide über sich in die Luft, um damit der Gegnerin den Schädel zu spalten, da hörte er hinter sich eine Stimme.
»Was ist hier los, Kisi?«, fragte eine Frau auf Englisch.
Thien erstarrte. Er erkannte die Stimme. Sofort brach er sein Tötungswerk ab und wirbelte herum. »Sandra!«
Sandra sprach weiterhin nur Englisch und beschimpfte ihn unflätigst. Sie trat auf ihn zu und trommelte mit beiden Fäusten auf ihn ein.
Das gab der schwarzen Frau Zeit, auf die Theke zu springen und ihre ferngesteuerten Kämpfer zu aktivieren.
Zwei Kerle, darunter Markus Denninger, bewegten sich auf Thien zu. Die drei anderen kümmerten sich um die Manager, die sie mit ihren Waffen zurück auf die linke Seite des Raumes trieben.
Denninger und sein grobschlächtiger Kollege packten Thien, die Axt fiel zu Boden, und Sandra Thaler hob sie auf. Sie wurde mit einem Mal still und besah sich Thiens und Denningers Gesichter eingehend. Ihr Kopf zitterte beinahe unmerklich, als würde sie einen leichten Stromstoß erhalten. Doch es war die Erinnerung, die sie so unerwartet traf wie ein Blitz aus einem sommerblauen Himmel.
»Kisi, ich kenne die …«, stammelte sie, und zwar auf Deutsch.
»Natalija!«, kam es von der Theke her. »Geh nach unten!«
Doch Sandra stand wie vom Donner gerührt und rührte keinen Finger. Sie starrte Thien an, und ein Film schien hinter ihren Augen abzulaufen. Dann berührte sie mit einer Hand ihren Bauch und sagte: »Thien …«
Die Frau auf dem Tresen, Kisi, wie Thien jetzt wusste, versuchte mit Tippen auf dem Smartphone, die beiden Roboter dazu zu bringen, ihn aus einem der Fenster zu werfen. Sie zerrten Thien von Sandra weg auf die zerstörten Fenster zu.
Sandra löste sich aus ihrer Schockstarre, ergriff die Axt, die vor ihr am Boden lag, und warf sie auf den Mann, der Thien am linken Arm gepackt hatte. Als hätte sie diesen Wurf tausend Mal geübt, traf die Schneide mit tödlicher Präzision seinen Hinterkopf. Er fiel um, und Denninger konnte Thien allein nicht halten, der wild um sich boxte, um seinen Arm aus der Umklammerung zu lösen. Er traf Denninger mit der Spitze des Skistiefels in die Kniekehle, und der stattliche Mann ging zu Boden, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Hartholzboden auf und streckte alle viere von sich.
Sonntag, 7. April, 10 Uhr 08
Hotel Schloss Osterbach
Flammen fraßen sich an den Streben und Wänden des Konferenzbaus in Sekundenschnelle nach oben. Das trockene Lärchenholz entwickelte außen kaum Rauch, und die Sicherheitskräfte, die den Himmel über dem Osterbach-Tal nach Flugobjekten absuchten, bekamen nichts davon mit, dass sich wenige hundert Meter von ihnen entfernt das große Drama abspielte, zu dessen Verhinderung sie eigentlich eingesetzt waren.
Erst als das Dach des Konferenzbaus in Flammen stand, entdeckte zufällig ein Zimmermädchen, das gerade eine Suite im Haupthaus sauber machte und beim Bettenaufschütteln zum Konferenzzentrum herüberblickte, den Brand und schlug über die Rezeption Alarm.
Sonntag, 7. April, 10 Uhr 10
Refuge du Goûter
Kisi ließ die drei verbliebenen Cyborgs das Feuer auf Thien eröffnen. Der hatte sich jedoch rechtzeitig mit einem Satz in den
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