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Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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bald wieder funktionieren. Es würde summen, sobald die erste SMS eintraf. Die unzähligen Anrufe seiner Eltern, seiner Freunde würden eine Kaskade von Mailbox-Nachrichten auslösen, in dem Moment, in dem sie die Netze wieder aktivierten.
    Doch das Telefon blieb still. Er schaute auf das Display. Noch immer kein Netz. Er stand auf und ging zum Fenster. Draußen war alles wie ausgestorben, kein Mensch war irgendwo zu sehen. Was, wenn er einfach seine Ski nehmen und über die Berge in das nächste Tal verschwinden würde? Würden sie ihn aufhalten?
    Sicher würden sie das. Sie würden …
    Es klingelte an der Tür, und er hastete durchs Wohnzimmer in den Flur, um zu öffnen. Die Tür war durchbrochen von einem Streifen Milchglas, der senkrecht durch ihre Mitte lief. Er sah die Umrisse eines Kantonspolizisten mit der Schildmütze, und es war ihm, als würde sein Herz aussetzen.
    Brachten sie ihm die Todesnachricht?
    Er öffnete. Es standen zwei Beamte vor der Tür, der eine weiter hinten, so dass er dessen Silhouette durch das Glas nicht hatte sehen können. Wie im Fernsehen, dachte Thien.
    Gleich würde einer von ihnen sagen: »Mein Name ist Meier. Ich bin von der Kantonspolizei. Und das ist mein Kollege Müller. Sind Sie Thien Hung Baumgartner?«
    »Thien Hung Baumgartner?«, fragte ein Polizist. Offenbar hatte er keine Zeit für überflüssige Höflichkeiten.
    »Ja.«
    Nun würde er sagen: »Wir haben Ihnen eine traurige Mitteilung zu machen, Herr Baumgartner.«
    »Bitte ziehen Sie sich an und folgen Sie uns. Sie haben einen Termin«, sagte der Polizist.
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Jetzt wissen Sie’s. Nehmen Sie bitte Ihren Computer mit und alle Speichermedien, auf denen Sie Bilder haben.«
    »Wer will die sehen?«
    »Werden Sie in einer Viertelstunde erfahren.«
    »Und … Sandra?«, fragte Thien.
    »Wer ist Sandra?«, fragte der Polizist.
    Montag, 18. Februar, 9 Uhr
Bern, Bundeshauptstadt der Schweiz, Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
    Die Männer und Frauen saßen mit versteinerten Mienen um das große Oval des Konferenztisches. An der schwarzen Tischplatte waren schon viele ernste Debatten geführt worden. Immer waren sie geprägt gewesen von der Freundlichkeit und Jovialität, die in einem kleinen Land wie der Schweiz die Bürger vom Straßenkehrer bis zum Staatspräsidenten miteinander verbanden. So mancher Scherz, besonders aus dem Mund des Vorstehers des Ministeriums, des lebenslustigen Bundesrates Jakob Maler, hatte die oft langwierigen Sitzungen in diesem Raum aufgelockert.
    Das war an diesem Tag anders. Weder Jakob Maler noch die anderen Verantwortlichen hatten seit dem gestrigen Mittag ein Auge zugetan. Für Schlaf war keine Zeit nach diesem Anschlag, der nach der vorläufigen Anzahl der Opfer der größte war, der jemals auf Schweizer Boden verübt worden war. Der gleichzeitig auch alles in den Schatten stellte, was in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges – mit Ausnahme des Balkankrieges – geschehen war. Der schlimmer war als alles, was in Belfast, Lockerbie, München, Madrid, London, auf der Zugspitze passiert war. Der nur übertroffen wurde von 9/11. Und der eine ganze Nation und einen Kontinent wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte.
    Jakob Maler war ein Schatten seiner selbst. Er eröffnete mit kraftloser und unsicherer Stimme die Sitzung. »Ich danke Ihnen, dass Sie alle gekommen sind. Ich bedanke mich bei jedem Einzelnen von Ihnen ausdrücklich für die gute Arbeit der letzten Stunden. Wir haben die Lage unter Kontrolle.« Er machte eine Pause, senkte den Blick und starrte fast ein Loch in die Tischplatte. Dann sah er wieder in die Runde. »Lassen Sie uns beginnen. Die Zahlen, bitte.«
    Ein Beamter des Bevölkerungsschutzes, der drei Plätze neben Maler saß, erhob sich und ging zum Flatscreen an der kurzen Seite des Raumes. »Bislang fünfhundertvierunddreißig Tote. Kaum Verletzte, nur einige wenige Unterkühlungen. Kein Toter durch direkte Einwirkung der Sprengsätze. Alle ertrunken. Die Taucher sind aber noch im Einsatz. Wir haben mittlerweile gut hundert von ihnen an den See beordert. Sie arbeiten ohne Unterbrechung. Der folgende Deadcount stammt von heute Morgen, acht Uhr. Ist also eine gute Stunde alt. Von den 534 sind 88 Eidgenossen und 446 Ausländer. Davon 182 deutsche, 97 russische, 43 israelische, 41 britische, 27 amerikanische, 14 indische, zwölf italienische, zehn französische, sechs chinesische, fünf

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