Gorillas. Und das alles, weil sich die Rebellen durch unsere Forschungsarbeit bei ihren illegalen Coltan-Geschäften gestört fühlen. Unsere Männer bringen den Vorfall in Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie kürzlich einen großräumig abgeholzten und eingeebneten Bereich in der Nähe der großen Coltan-Mine entdeckt haben. Sie vermuten, dass es sich dabei um einen Helikopter-Landeplatz handeln könnte …
I hre Augen waren verquollen, auf der Haut unter ihren Wimpern zeichneten sich dunkle Ringe ab. Schuld daran waren tote Gorillas, schwer bewaffnete Milizionäre und ein Helikopter, die ihre unruhige Nacht bevölkert hatten. Lea saß im Bademantel am Küchentisch und rührte in ihrem Kaffee. In diesem Zustand konnte sie unmöglich ins Büro gehen. Schon der Gedanke, die Geschichte mit den Kollegen bis zum Erbrechen durchkauen zu müssen, verursachte ihr Bauchschmerzen. Zum Glück hatte sie am Abend die Rufumleitung auf ihr Handy eingeschaltet. Externen Zugriff auf den Server hatte sie sowieso. Einem produktiven Tag würde nichts im Wege stehen. Was Lea noch wichtiger war: Sie würde in ihren eigenen vier Wänden die Ruhe haben, die sie zum Nachdenken brauchte. Ein neuer Lösungsansatz musste her, nachdem ihr ursprünglicher Plan gestern wie eine Seifenblase zerplatzt war. McAllister hatte sie abblitzen lassen. Interpol hätte keinerlei Exekutiv-Funktion, so wie das fälschlicherweise in Kriminalromanen oft dargestellt würde. Na großartig! Sie hatte bei Dagmar und Bodo ganz schön hoch gepokert, als die Frage im Raum stand, was nun zu tun sei. Dummerweise war McAllister Teil ihres Plans gewesen. Aber sie hatte die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht. Er hatte ihr geschrieben, dass er vor Ort nichts für WPS tun könne, hatte aber versprochen, dass er die Fühler ausstrecken werde. Warum musste WPS auch ausgerechnet in der Demokratischen Republik Kongo aktiv sein? Schwieriger ging es kaum. Wie konnten sie nur erwarten, dass sich in einem Land, das so viel Krieg und Tote gesehen hatte und immer noch von Rebellen terrorisiert wurde, jemand um tote Grauergorillas scherte? Sie räumte das schmutzige Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine und ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Andererseits, dachte sie, war es Femi vor zwei Jahren schon einmal gelungen, mit einem der Rebellenführer so etwas wie einen Waffenstillstand auszuhandeln. Er konnte daraufhin völlig unbehelligt mit seinen Männern das Gorilla-Monitoring durchführen. Ihr rechtes Bein verfing sich in der Röhre ihrer Jeans. Unter heftigem Zappeln fand ihr Fuß schließlich den richtigen Weg. Sie zog einen grauen Pulli über, der ihre zierliche Gestalt betonte, und bändigte die kurzen Haare mit ein paar Bürstenstrichen. Vielleicht könnte er etwas Ähnliches im neuen Projektgebiet erreichen? Mit Interpol und dem ICCN im Rücken hätte Femi natürlich eine deutlich bessere Verhandlungsbasis. Crocodile hätte es nicht mehr nur mit einer kleinen NGO, sondern mit einer internationalen Polizeiorganisation zu tun.
Während das Wasser in der Espressokanne auf dem Herd zu sprudeln begann, richtete sich Lea im Wohnzimmer ein. Das alte Holzpult, ein Erbstück von ihrem englischen Großvater, wurde ans Fenster gerückt, die Postablage landete auf dem Boden, um dem Laptop Platz zu machen. Von ihrem neu geschaffenen Arbeitsplatz aus konnte sie die futuristische Silhouette des Fernsehturms am Alexanderplatz sehen.
Routine wirkte beruhigend auf Lea. Morgens Kaffee trinken und dabei eMails lesen war eine davon. Aber heute verweigerte ihr das Ritual seinen Dienst.
Schuld war die mysteriöse Göttin der Wahrheit.
Sie war wieder da.
Über die Geschehnisse der letzten Tage hatte Lea diese Aletheia völlig vergessen.
Bis jetzt.
An:
[email protected] Von: Aletheia
Hallo Lea,
Sie sollten sich die Zulieferer von Movia anschauen. Sagt Ihnen Reinharz etwas?
A.
Lea nagte an ihrer Unterlippe. Sie konnte sich keinen Reim auf die seltsamen Nachrichten machen. Es war die zweite innerhalb kurzer Zeit. Ein Spinner? Jemand, der versuchte, sie gegen Movia aufzubringen? Obwohl sie keine Lust hatte, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, tippte sie »Reinharz« in eine Suchmaschine ein. Die Homepage der Firma Reinharz GmbH in Frankfurt an der Oder war einfach zu finden. Eine nüchterne Seite in abgestuften Grautönen tauchte auf ihrem Bildschirm auf. Sie überflog den Text flüchtig. Führendes Unternehmen in der Tantal-Verarbeitung, steht für Kompetenz bei