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Bluterde

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Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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ihre Hand selbstverständlich auf Femis Unterarm und schenkte ihm ein perlendes Lachen. Lea griff sich ihre Umhängetasche und verließ das Café. Vor der Tür blieb sie stehen und blickte die staubige Straße hinunter. Schwer bepackte Mofas und Fahrräder wackelten mit ihrer Last den Hügel hoch. Holz auf Kanister getürmt, Hühner in Bastkäfigen, gebündelte Palmblätter – alles wurde auf zwei Rädern transportiert. Ungeduldige Autofahrer überholten die Verkehrsbehinderung laut hupend in halsbrecherischen Manövern. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein mürbe aussehendes Betongebäude. Unzählige kleine Läden hatten in dem grauen Bau ihr Zuhause gefunden – Misi Shop, Bwami Service, Mason Florida, Pharmacie. Yetu Auto Pieces stachen ihr ins Auge. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, die im Laden verfügbaren Autoteile plakativ an die Wand zu pinseln. Ein überdimensionierter Reifen, eine silberne Radkappe, eine Batterie, Sitze. Wenn Dagmar das sehen könnte, dachte Lea und zog gedankenverloren ihre Kamera aus der Tasche. Sie machte einen Schritt zurück und blickte durch den Sucher.
    »Was machen Sie da?«
    Ein Mann brüllte sie von der Seite an. Seine Augen waren hinter einer schwarzen Sonnenbrille verborgen. Lea fiel fast die Kamera aus der Hand.
    »Haben Sie eine Fotogenehmigung?«, fragte er in aggressivem Tonfall.
    »Was für eine Genehmigung? Ich wollte nur den Laden da drüben fotografieren!«
    Sie deutete auf Yetu Auto Pieces auf der anderen Straßenseite. Der grimmig blickende Mann nickte. Lea, zuversichtlich, das Problem aufgeklärt zu haben, lächelte ihn an. Das Mienenspiel ihres Gegenübers blieb unfreundlich. In seinen ausgelatschten Halbschuhen klaffte ein Loch, ein Zeh lugte daraus hervor. Mit einer abrupten Bewegung hielt er ihr einen Ausweis unter die Nase.
    »Zivilpolizei! Ich bin sicher, dass Sie die Fernsehstation fotografieren wollten!«
    »Welche Fernsehstation?«
    »Ihren Pass!«
    »Hören Sie …«
    »Ihren Pass!«, brüllte er noch lauter.
    Er machte einen Schritt auf sie zu. Sein schroffer Ton und sein angriffslustiger Gesichtsausdruck ließen keine Zweifel. Lea war so eingeschüchtert, dass sie ihren Ausweis mit zittrigen Fingern aus der Gürteltasche nestelte. Er riss ihn ihr aus der Hand, noch bevor sie ihn vollständig aus der ledernen Schutzhülle befreien konnte. Obwohl es an diesem Maitag nicht sonderlich heiß war, bahnten sich zwischen Leas Brüsten und Schulterblättern Schweißperlen ihren Weg. Nervös kratzte sie an ihren Handflächen, ihr Mund wurde trocken. Während der Mann geschickt mit einer Hand durch die Passseiten blätterte, hielt er mit der anderen ein Handy an sein Ohr. Gereizt bellte er in das Telefon. Er sprach Französisch, Lea verstand kein Wort. Schließlich verschwand das Handy gemeinsam mit ihrem Pass in seiner Hosentasche. »Mitkommen!«
    Mit einer Kopfbewegung zeigte er in Richtung Hauptstraße.
    Femi war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte er den Mann.
    Der Zivilpolizist starrte für den Bruchteil einer Sekunde überrascht an ihm hoch. In seinem Gesicht spiegelte sich plötzlich eine Mischung aus Ärger und Nervosität.
    »Er hat meinen Pass!«, mischte Lea sich ein.
    Femi schob Lea zur Seite und postierte sich zwischen ihr und dem Mann. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte abwartend auf die Sonnenbrille. Sein Gegenüber wedelte mit dem zerknitterten Ausweis. Femi gab sich unbeeindruckt von dem Schauspiel. Seine Stimme blieb ruhig, die Körperhaltung entspannt. Hinter seinem Rücken beobachtete Lea die Szene. Aus dem Befehlsgeber war plötzlich ein Bittsteller geworden.
    »Er sagt, für fünfhundert Dollar kriegst du deinen Pass wieder.«
    »Was?«
    »So läuft das nun mal!«
    »Ich habe keine fünfhundert Dollar bei mir!«
    »Hab ich ihm auch gesagt.«
    »Und?«
    »Er ist auch mit zehn zufrieden.«
    Lea holte zwei Fünf-Dollar-Noten aus ihrer Hosentasche und wollte sie ihrem Peiniger in die Hand drücken. Femi war schneller. Die Scheine verschwanden knisternd in seiner Hand. Er drehte sich um und bedeutete dem Beamten mit einer knappen Geste, den Pass auszuhändigen. Schmierig grinsend förderte der Mann das Reisedokument aus seiner Tasche und hielt es ihm hin. Femi nahm den Pass und drückte ihm die Dollars in die Hand.
    »Wir gehen!«
    Ohne sich nach Lea umzusehen, marschierte er zum Auto. Er schloss auf und Lea schlüpfte auf den Beifahrersitz. Sie sprachen kein Wort miteinander. Femi

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