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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Harry und grinste Joe an.
    Joes Kopf zuckte herum, um zu sehen, ob seine Mutter etwas gemerkt hatte. Sie hängte gerade Wäsche auf und drehte sich nicht um.
    »’tschuldigung«, formte der Junge lautlos mit den Lippen. Harry zwinkerte ihm zu.
    »Maus«, sagte Millie, den Blick fest auf etwas geheftet, was nur ungefähr einen halben Meter entfernt war. Ihre Augen leuchteten, und sie streckte ein rundliches Ärmchen aus.
    »Millie, nein, das ist eine Ratte!«, rief Harry. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Alice herumfuhr und fallen ließ, was sie in der Hand hielt.
    Tom hörte auf zu kicken, und Harry sprang mit einem Satz über die Mauer und landete auf der weichen Erde im Garten der Fletchers.
    »Weg!«, stellte Joe fest. Die Ratte huschte auf die Mauer zu. Ihr fetter grauer Schwanz war noch einen Moment zwischen zwei Steinen zu sehen, dann verschwand er. Harry schaute zurück auf den Kirchhof. Gillian war ebenfalls verschwunden.

12
     
21. September
    Zuerst war das Flüstern in einem Traum und dann nicht. Tom hatte keine Ahnung, wann sich das geändert hatte, wann das Ganze vom Traum zu Wirklichkeit geworden war. Aber eben hatte er noch fest geschlafen, und dann war er wach, und der Traum glitt davon. Er dachte, dass es darin vielleicht Bäume gab und in den Bäumen irgendetwas, das ihn beobachtete. Vielleicht kam auch die Kirche darin vor, ganz bestimmt aber das Flüstern. Da war er sich absolut sicher. Weil er es nämlich immer noch hören konnte.
    Er setzte sich auf. Die Leuchtziffern des Tischweckers verrieten ihm, dass es 2.53 Uhr war. Seine Eltern waren um diese Zeit nie wach. Sie schliefen bestimmt tief und fest, und das Haus war über Nacht abgeschlossen.
    Wer flüsterte da also?
    Er ließ sich kopfüber über den Bettrand hängen und spähte auf Joes Bett hinab. Sein Bruder hatte sein eigenes Zimmer, gleich nebenan. In dem bewahrte er all seine Spielsachen auf und spielte auch oft dort, schlief jedoch nie darin. Jede Nacht kletterte er in das Stockbett unter dem von Tom.
    »Joe, bist du wach?«
    Schon als er den Mund öffnete, konnte er sehen, dass das untere Bett leer war. Die Bettdecke war zurückgeschoben, und dort, wo Joes Kopf gewesen war, war eine Delle im Kopfkissen.
    Tom schwang die Beine herum und ließ sich auf den Teppich fallen. Auf dem dunklen Flur schien alles still zu sein. Drei Türen waren einen Spaltbreit offen – die vom Badezimmer, die von Millies Zimmer und die vom Schlafzimmer seiner Eltern –, doch hinter jeder Tür war nur Dunkelheit zu sehen. Als er auf das obere Ende der Treppe zuging, fuhr ein kalter Luftzug durchs Haus. Die Haustür stand sperrangelweit offen.
    War jemand hereingekommen? Oder hinausgegangen?
    Die oberste Stufe knarrte sehr laut. Tom stieg noch eine Stufe hinunter und dann noch eine und hoffte dabei halb, dass seine Eltern aufwachen und ihn hören würden.
    Wer hatte da geflüstert? Wo war Joe?
    Als er die unterste Stufe erreichte, fuhr ein Windstoß an ihm vorbei ins Haus. Die winzigen Haare an seinen Armen stellten sich auf, und er bekam eine Gänsehaut. Dann war der Wind weg, und die Luft war wieder sanft und beinahe warm. Eigentlich gab es überhaupt keinen Grund zu zittern, wirklich nicht, nur konnte er nicht damit aufhören.
    Er wusste, dass er Mum und Dad wecken sollte. Dass Joe mitten in der Nacht das Haus verließ, war eine zu ernste Angelegenheit, als dass er sich allein damit befassen konnte. Außer wenn er und Joe sich stritten, wurde die Schuld niemals fifty-fifty verteilt. Gute 91 Prozent davon landeten unweigerlich bei Tom, und nur selten wurde der jeweiligen Faktenlage gestattet, sich dem in den Weg zu stellen. Wenn er seine Eltern jetzt aufweckte, dann wusste er ganz genau, wer Du-weißt-schon-was zu hören kriegen würde, sobald Joe wieder zu Hause war.
    Diesmal würde Tom ihn wirklich umbringen, ganz bestimmt.
    Er trat hinaus, und einen Augenblick lang vergaß er, dass er wütend war. Vergaß, dass er sehr nahe daran war, es mit der Angst zu tun zu bekommen. So war das also – die Nacht. Weich und voller Duft und eigenartig warm, ein Ort, wo alle Farben verschwunden waren und Schwarz und Silber und Mondstrahlen an ihrer Stelle zurückgelassen hatten. Er machte noch einen Schritt vom Haus weg.
    Dann überkam ihn allmählich wieder dieses Gefühl, genau das, welches er in letzter Zeit anscheinend immer hatte, wenn er das Haus verließ. Manchmal konnte es sich sogar drinnen an ihn heranschleichen, im Haus, besonders wenn es draußen dunkel

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