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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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oder später verlieren sie die Leidenschaft. Danach verschwinden die guten Erinnerungen, und dann gehen die Vertrautheit und die Zärtlichkeit flöten. Schließlich verschwindet das Geld. Der Gierigere macht sich damit aus dem Staub.«
    Sie zog einen Zeigefinger unter den Augen entlang. Er bekam schwarze und feuchte Flecken von Mascara. Er tippte mit dem Zeigefinger unter sein eigenes Auge. »Hier«, sagte er.
    Sie wischte sich noch einmal die Augen sauber und untersuchte die Serviette auf Mascaraflecken.
    »Sind Sie böse?«, fragte er.
    »Weshalb?«
    »Auf Ihren Vater?«
    »Nein, eher erleichtert. Es war schlimmer, nichts zu wissen.«
    Wieder schwiegen sie lange. Sie zerknüllte die Serviette in ihrer Hand.
    »Marius war älter als Sie?«
    »Umgekehrt. Er war zwei Jahre jünger.«
    »Sie haben neunundachtzig Abitur gemacht?«
    Sie nickte.
    »Was hat er nach der Schule gemacht?«
    »Grundwehrdienst. Er hat beim Militär Karriere gemacht. Als Berufssoldat.«
    »Wollte er nichts anderes?«
    »Nein. Ich glaube, er wollte einmal auf die Polizeischule gehen.«
    »Hat er sich beworben?«
    »Ja. Er wurde sogar angenommen. Aber dann ging er stattdessen doch zum Militär und auf die Offiziersschule.«
    Gunnarstranda überlegte.
    Sie sagte: »Ich habe mich eins gefragt …«
    »Ja?«
    »Ich bin ein paar Tage lang die Post durchgegangen …«
    »Ja?«
    »Ich glaube, er war Konkurs.«
    »Wer?«
    »Papa.«
    »Unseren Nachforschungen zufolge müsste er über reichlich Geld verfügt haben.«
    Sie starrte ihn verständnislos an.
    »Er soll mehrfach hohe Barbeträge abgehoben und sehr wertvolle Aktien verkauft haben.«
    Jetzt beugte sie sich vor. »Er hat es alles ausbezahlt«, platzte sie heraus.
    »Ausbezahlt?«
    »Es sind über vier Millionen abgehoben worden.«
    »Abgehoben?«
    »Überwiesen. Über vier Millionen, kurz bevor er verschwand. Warum hat er das getan, wenn er nicht jemandem eine Menge Geld schuldig war?«
    Gunnarstranda griff mit beiden Händen an die Tischkante. Sein Verlangen nach einer Zigarette war stärker denn je. Er dachte: Das hätte Frølich wissen sollen . Er sagte: »Von welchem Konto reden Sie?«

29
     
    Abteilungsleiter Rindal war fest entschlossen herauszufinden, wie Ivar Killis Bilder in Petter Bulls Besitz gelangt waren. Die Sache war ernst. Dennoch hatte Rindal es vorgezogen, den Fall als ein isoliertes Phänomen zu betrachten, ein persönliches Fehlverhalten, das im Haus intern geklärt werden musste. Schlimmstenfalls, hatte Rindal gedacht, würde seine Auseinandersetzung mit Bull zu einem Disput mit dem Betriebsrat führen. Er war darauf eingestellt, den Vorfall aus dem Weg zu räumen, um rasch weiterzukommen.
    Als Vibeke Starum meinte, der Fall müsse untersucht werden, hatte Rindal zunächst negativ reagiert, sich aber ihre Argumente angehört. Starum hatte es für einen Fehler gehalten, die Unterschlagung von Beweismaterial als Personalfall zu behandeln. Nachdem Gunnarstranda offen erklärt hatte, dass der Speicherchip mit den Fotos gestohlen worden war, könnte eine interne Behandlung leicht so aufgefasst werden, als wolle die Leitung die Angelegenheit vertuschen. Außerdem mussten Bulls Motive für die Unterschlagung ans Licht gebracht werden. Sie als Ermittlerin musste die Möglichkeit offenhalten, dass Killi diese Bilder auf seinem verschwundenen Computer gespeichert hatte. Vorläufig wussten weder sie noch andere, welchen Grund die Diebe gehabt hatten, Killis PC zu stehlen. Aber man durfte die Möglichkeit nicht aus dem Auge verlieren, ob der Diebstahl eventuell begangen wurde, um zu verhindern, dass die leitenden Ermittler die Fotos fanden. Und so betrachtet erschien Bulls Unterschlagung der Fotos in einem seltsamen Licht.
    Rindal hatte Starum mit einem Blick angesehen, der immer finsterer wurde, je länger sie sprach. Er war kurz davor zu explodieren, als Starum abschließend erklärt hatte, der Umgang mit dem Verschwinden von Beweismaterial sei letztlich eine Frage der strategischen Führung.
    Nur zwei Wörter. Strategie und Führung. Aber sie wirkten wie Balsam auf Rindals Gemüt. Er lebte in einem kontinuierlichen Konflikt zwischen zwei Wünschen, nämlich als solider, verantwortungsvoller Vorgesetzter zu erscheinen und gleichzeitig einer von den Jungs zu sein. Im Arbeitsalltag pflegte er sein Gene-Hackman-Image. In der Öffentlichkeit trat er rank und steif in Uniform auf, mit messerscharfen Bügelfalten in der Hose und Bändern an der Mütze. Rindal fand, ein guter Vorgesetzter

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