Blutfeuer
nur
Augen für den am Boden liegenden Zwerg gehabt hatte, drehte sich um, und ihre
Augen wurden groß wie Tischtennisbälle. »Oma, nicht!«, rief sie und rannte ihr
entgegen.
Lagerfeld schaute Haderlein
entgeistert an, dem es aber nicht besser erging. Andererseits hatte er jetzt
gerade überhaupt keine Zeit, sich mit unerwarteten Verwandtschaftsverhältnissen
zu beschäftigen. Noch immer ging es um Leben und Tod und einen nicht
abgeschlossenen Kriminalfall.
Dann kamen auch schon Ärzte
und Schwestern angerannt, und Haderlein nahm sich den Polizisten auf die Seite.
»Sie bringen das Mädchen umgehend zur Polizeipsychologin. Sie heißt Theresa,
verstanden? Und ein bisschen einfühlsam, bitte, sie hat einiges mitgemacht.«
Dann winkte er Lagerfeld und
Herbert Müller, und alle eilten in die Vorhalle des Klinikums St. Getreu.
Dort breitete Lagerfeld
seinen Katakombenplan aus, und sie versuchten gemeinsam, die Kürzel zu
entschlüsseln, die überall zu sehen waren. Von hinten näherte sich eine
diensthabende Schwester mit einer unglaublichen Oberweite, um sie
zurechtzuweisen. Als sie jedoch erkannte, wer da am Boden kniete, bremste sie
ihre Schwungmasse so schnell es ihr möglich war ab und trat flugs den Rückzug
an.
Katastrophen-Müller begriff
als Erster. »Diese Kürzel hier sind die Eingänge in das Labyrinth«, erklärte
er. » AB steht für Altenburg. BA für Bartosch und VR für Villa Rosenbauer. Sie sind alle
drei durchgestrichen, weil die Ausgänge mit Sprengstoff versperrt wurden.
Bleibt nur SG , das ist St. Getreu,
und dieser Eingang hier: HH .« Er
tippte mit dem Finger auf den Plan. »Hier werden sie versuchen, mit
›Yellowstone‹ abzuhauen, also müssen wir den Ausgang finden.«
»Super«, meinte Lagerfeld
genervt. »Und was heißt HH , du
Schlaumüller? Hafenhalle? Heinrichshemd? Herrgottshut? Das kriegen wir in der
kurzen Zeit niemals heraus. Wir können doch nicht einfach alle Türen im
Berggebiet bewachen lassen?« Der Kommissar war aufgebracht. Sie waren so kurz
vor dem Ziel und doch so weit entfernt.
Haderlein dachte fieberhaft
nach, kam aber auch nicht zu einer sinnvollen Lösung. Nur Katastrophen-Müller
blieb weiterhin ruhig. »Ich denke, für dieses Kürzel gibt es nur eine sinnvolle
Definition. Alles andere wäre ziemlicher Unsinn und unlogisch.« Haderlein und
Lagerfeld schauten ihn gespannt an, und Herbert Müller fuhr fort. »Die
Richtung, das Alter des Baus, die Lage, alles passt. HH kann meiner bescheidenen Meinung nach nur eines heißen,
nämlich Hofhaltung.«
Haderlein war für einen
Moment perplex. Natürlich! Gar kein so schlechter Einkauf, dieser
Katastrophen-Müller! Wo sonst konnte man einen so alten Gang vermuten, zu dem
man auch noch bequem mit einem Lastwagen hinfahren konnte. Die wollten über die
Hofhaltung abhauen. Er nahm Riemenschneider wieder an die Leine.
»Auf geht’s, Bernd. Unser
nächster Einsatzort heißt Dom. Hoffentlich sind wir nicht zu spät.« Sie rannten
zu dem draußen geparkten Landrover.
Das Licht der Wahrheit
Pechmann hatte mit seinen
Chinesen den alten Stall frei geräumt. Jetzt stapelten sich in der Mitte des
Raumes Plastiksäcke mit fast einer Tonne »Yellowstone«. Pechmann schaute
bereits zum x-ten Mal auf seine Uhr. Der Lastwagen war bereits seit Minuten
überfällig. Wo zum Teufel blieb er nur? Mit seinem Blick bohrte er erneut
Löcher in das Zifferblatt, als er draußen endlich das Quietschen von Bremsen
hörte. Fast aus dem Stand sprang er zur Tür und öffnete sie einige Zentimeter
weit. Der Lastwagen war da.
Der Fahrer der Spedition war
ausgestiegen. Er studierte seinen Auftrag und wahrscheinlich auch, ob dies
tatsächlich die richtige Adresse war. Pechmann öffnete die Tür komplett. Als er
durch sie hindurchging, musste er sich tief bücken. Mittelalterliche Bauten
waren damals für kleinere Körpergrößen ausgelegt gewesen als für die eines
Exbasketballprofis.
»Spedition Elflein?«, fragte
er freudig erregt, und der Fahrer mit der Baseballkappe nickte.
»Hat a weng gedauerd mid dem
ganza Verkehr heud. Ich soll da was abholn für nein Hafen. Wie viel isses?«,
fragte er gelangweilt, bevor er erneut seinen Auftrag studierte.
»Eine knappe Tonne
Medikamente in Plastiksäcken. Alles müsste jetzt zügig verladen werden«,
versuchte Pechmann die Angelegenheit etwas voranzutreiben. Dieser Bamberger
machte ihn mit seiner betulichen Art jetzt schon wahnsinnig.
»Aa Donna? Ja, ham Sie
jemand zum Helfen, ich hab fei kaan Stabler
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