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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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merkwürdig
andächtigen Blick um sich und fiel dann von einem Moment auf den anderen auf
die Knie. Der Ball blieb Zentimeter vor der Torlinie liegen, aber niemand
beachtete ihn mehr.
    Lothar Schmittwolf wurde kreidebleich, riss sich von den umstehenden
Zuschauern los und hastete zu seinem Sohn auf den Platz. »Benni!«, schrie er,
während er rannte, was seine Beine hergaben. Er erreichte seinen kleinen Sohn,
als der vornüber auf den Rasen kippte. »Benni, was ist denn los, verdammt?«,
rief sein Vater verzweifelt und schüttelte ihn in der Hoffnung, es wäre nur ein
Schwächeanfall.
    »Papa, mir ist so kalt, Papa«, konnte er seinen Sohn noch mit
schwacher Stimme hören, dann verkrampfte sich dessen Körper, und die
Umstehenden konnten sehen, wie die Augen des Sechsjährigen aufplatzten und eine
orangefarbene Flüssigkeit aus ihnen herausspritzte.
    Mit einem hilflosen Schrei riss Lothar Schmittwolf seinen Sohn an
sich und rief: »Einen Arzt, verdammt noch mal, einen Arzt!«
    Während die Ersten davonliefen, um nach einem Doktor zu suchen,
blickte Lothar Schmittwolf seinem Sohn schluchzend ins Gesicht und wusste
instinktiv, dass jegliche Hilfe zu spät kommen würde. Unter den Umstehenden war
geschockte Stille eingekehrt. Direkt neben dem Vater mit dem sterbenden Kind in
seinen Armen brach eine Frau ohnmächtig zusammen.
    *
    Der Schrofenpass war überquert, und alle saßen hochkonzentriert auf
ihren Rädern. Das Stück nach St. Anton hinunter war relativ steil und nicht
ohne Tücken. Manuela Rast und Ute von Heesen genossen die Abfahrt, die genau
ihrem technischen Leistungsstand entsprach. Genau das war einer der Gründe,
sich diesem wunderschönen Sport hinzugeben. Das Bike folgte willig den
Lenkbefehlen seiner Herrin, und ein inneres Hochgefühl begann sich bei den
beiden Fahrerinnen einzustellen.
    Mit Können und Mut war der anspruchsvolle Trail durchaus zu
meistern, aber vielen Alpenüberquerern fehlte beides, was dann zu äußerst
kunstvollen Abgängen über den einen oder anderen Lenker führte. Viele, die sich
auf das Abenteuer des Mountainbikens in den Alpen einließen, meinten wohl auch,
dass ein Hightechbike mit vierzehn Zentimeter Federweg vorn und hinten einen
gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit des vorausschauenden Fahrens
ersetzen könnte. Frank Jessentaler hatte schon oft genug Erfahrungen mit
solchen Rittern der unerwarteten Flugbereitschaft gemacht und zog es seitdem
vor, bei solchen Abfahrten das Feld anzuführen, damit niemand auf dumme
Gedanken kam. Sollte sich dennoch jemand danebenbenehmen, hatte derjenige
meistens am Ende der Etappe etliche Blessuren zu beklagen und einen teuren
Hüttenabend vor sich. Regelverletzungen schlugen mit mindestens einer Runde
alkoholischer Getränke zu Buche. Und Mountainbiker konnten nach einer Tagestour
verdammt viel trinken. Das war auch bei diesem Unternehmen allen klar.
    Allen, bis auf Ronald Wolf. Ronald Wasabi Wolf hielt nichts von
Regeln, die er nicht selbst aufgestellt hatte. Aus seiner Sicht machte es
keinen Sinn, ein halbes Jahr für eine Alpentour zu trainieren, das Outfit und
die Ausrüstung penibel zu stylen, um dann im Rentnertempo diesen lächerlichen
Anfängerpfad hinunterzuschleichen. Schließlich hatte er schon bei ganz anderen
Schwierigkeitsgraden seine Gegner versenkt. Bei der erstbesten Gelegenheit, als
der steile Pfad eine Idee breiter wurde, ließ Ronald Wolf die Griffe seiner
hydraulischen Scheibenbremse los und schoss überlegen lächelnd an der
restlichen Truppe vorbei. Frank Jessentaler bemerkte das Manöver erst, als es
schon zu spät war. Bikerkollege Ronald staubte an seiner linken Seite vorbei
und machte sich sogleich daran, eine Wandergruppe, auf die sie gerade
aufgefahren waren, mitzuverspeisen.
    »Ronald, nicht!«, konnte der Leiter der Tour ihm noch
hinterherrufen, aber Wasabi-Wolf war schon dabei, die verschreckten Rentner auf
der Außenseite der Kurve direkt am Berghang in einer selbst erzeugten Wolke aus
Dreck und Kies zu überholen. Man hörte nur, wie die Scheibenbremsen seines
Mountainbikes ein gequältes Kreischen von sich gaben und die Letzten der
Wandergruppe erschrocken aufschrien, dann hörte man nichts mehr. Frank
Jessentaler hob die Hand und bedeutete allen anzuhalten. Seufzend legten sie
ihre Räder in die Wiese, während Frank um die Kurve ging, um nach dem Rechten
zu sehen. Ute von Heesen und Manuela Rast begannen derweil vorsorglich die
Erste-Hilfe-Beutel herauszukramen.
    *
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