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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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knapp nicht
mein Zuständigkeitsbereich, verstehen Sie? Aufgeplatzte Augen, orangefarbenes
Blut, verarschen kann ich mich auch selbst!«
    »Ja, aber vielleicht können Sie –«, versuchte es der Pathologe
erneut.
    »Nein, Siebenstädter, Sie können mich !« Mit diesem verbalen
Rettungsschuss legte Haderlein auf und wischte sich erschöpft den Schweiß von
der Stirn. Der Tag hatte nicht gut angefangen und drohte permanent schlimmer zu
werden.
    *
    Die Wolken rasen direkt
auf mich zu, fliegen über mich hinweg,
    und ich stehe wie
angewurzelt da.
    Plötzlich wirbelt alles
wie wild herum.
    (Hollingsfield/Nguyen,
»Sturmjäger«)
    »Luca« hatte die
sizilianische Küste erreicht und traf mit unglaublicher Wucht auf die alten
Schutzmauern der Hafenanlage von Catania. Der Hurrikan der Stärke zwei drückte
das Meer mit immer größer werdender Gewalt gegen das alte Gemäuer, und um
sechzehn Uhr siebenundvierzig war es um den Widerstand des überforderten
Mauerwerks geschehen. Zuerst lösten sich nur einzelne Steine aus dem
Mörtelverbund, dann brachen ganze Schichten, und schließlich kapitulierte der
alte Wall in seiner Gänze vor der brutalen Wucht des Wassers, mit dem der Sturm
permanent in dessen Flanke drückte. Sofort brach das Meer tsunamiartig über die
Altstadt von Catania herein und ergoss sich in die Senke, in der die Stadt lag.
Innerhalb von Minuten stand das Meer Hunderte von Metern weit im Zentrum der
sizilianischen Metropole, und der Wasserpegel stieg weiter in Windeseile, der
Bedeutung des Wortes streng folgend. Als wollten sie die Berghänge hinaufeilen
und den Ätna höchstpersönlich zum Verlöschen bringen, wirbelten die Fluten
durch die engen Straßen und Gassen. Dazu gesellte sich ein Sammelsurium an
waagerecht fliegenden Stadtbeigaben wie etwa Bretter, Ziegel oder auch ganze
Hausdächer. »Luca« kannte kein Pardon und zerlegte die Stadt in ihre
Einzelteile. Dann hob der Hurrikan alles mit Windgeschwindigkeiten von über
hundertsechzig Stundenkilometern in die Luft und warf es den fliehenden
Menschenkolonnen hinterher, die immer noch danach trachteten, sich in das
Innere der Insel, vorwiegend in die Dörfer an den Hängen des Ätna,
zurückzuziehen.
    So viele Male hatte der
Vulkan Tod und Verderben über Catania gebracht, jetzt hielt ausgerechnet er als
letzte Zuflucht her.
    In dem kleinen Bergdorf
Gravina am Südhang des Ätna hatte sich eine überschaubare Kolonie von
Fernsehreportern eingenistet, um das Spektakel auf die Flatscreens der Welt zu
übertragen. Doch auch sie musste wie die durchziehenden Karawanen von
Flüchtenden sich der gewaltigen Kraft des Sturms geschlagen geben und in ihre
gesicherten Unterkünfte oder die nahe liegenden Steinbrüche fliehen. Die
Satellitenantenne, die bei diesen dramatischen Verhältnissen geordnete
Datensignale durch den Äther hätte schicken können, war noch nicht erfunden. Ganz
abgesehen davon bestand Gefahr für Leib und Leben, sodass auch die auf Sizilien
versammelte Journaille in ihren behelfsmäßigen Kellerquartieren das tun musste,
was alle taten. Warten, bis alles vorüber war. Warten, bis der erste Hurrikan
des Mittelmeerraumes sich ausgetobt hatte. Es dauerte viele Stunden, und es war
nicht nur der Wind, der der Insel zu schaffen machte.
    Nachdem sich der Hurrikan
seinen Weg über Sizilien freigeräumt hatte, kam der Regen. Regen? Nein, wohl
eher die Sintflut. Diejenigen, die es wagten, aus dem Fenster ihres Hauses zu
schauen, konnten nicht einmal die Gebäude auf der anderen Straßenseite
erkennen. Der Wirbelsturm entlud seine Wassermassen über der italienischen
Insel, wie es die Sizilianer noch nie erlebt hatten. Innerhalb von wenigen
Stunden fiel so viel Niederschlag wie sonst in drei Jahren. Bäche wurden zu
reißenden Flüssen, Straßen zu Wasserfällen und die Altstadt von Catania zu
einem einzigen schmutzig braunen Meer.
    Als »Luca« schließlich als
abgeschwächter Hurrikan der Kategorie eins abzog, war Sizilien ein einziges
Katastrophengebiet. Die Infrastruktur war weggeschwemmt, es gab Hunderte von
Verletzten und unzählige Tote. Viele Städte waren weitgehend zerstört, wobei
Catania mit Abstand am schwersten getroffen worden war, da die Stadt auf der
Ostseite der Insel genau in der Hauptstoßrichtung von »Luca« gelegen hatte.
Kein Ausbruch des Ätna hatte jemals so viel Schaden und Leid verursacht wie
dieser Hurrikan.
    Unterdessen begann »Luca«,
sich über dem auf mehr als dreißig Grad klimaerwärmten Wasser des

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