Blutfeuer
das
Tempo anzog. Der Weg war nicht allzu steil und schlängelte sich in sanften
Serpentinen durch das weite Tal gleichmäßig der Nachmittagssonne und der Hütte
entgegen. Bald hatten sie die beiden Männer eingeholt, die verzweifelt ein paar
Hundert Meter lang versuchten, ihrem Tempo zu folgen, bis sie sich laut
keuchend ihrem Schicksal ergaben. Die beiden Carbonräder zogen mitsamt ihren
Fahrerinnen davon. Es war ein wunderschöner Anstieg, musste sich Ute von Heesen
eingestehen, bei dem Manuela unbeirrt ihr hohes Tempo hielt. Nur zweimal schaute
sie sich um, um sich zu vergewissern, ob Ute ihr auch folgen konnte. Aber die
lächelte sofort zurück, um zu signalisieren, dass alles wunderbar war.
Die voll gefederten Räder glitten über sämtliche Unebenheiten, als
wären diese schlichtweg nicht vorhanden. Jedes Loch, jeder Kiesel wurde von der
hochmodernen Federung absorbiert. Ein einziger Genusstrail. Nach einer knappen
Stunde tauchte die Hütte vor ihnen auf. Sie stellten die Räder am Zaun ab und
blickten zurück. Von ihren beiden Herausforderern war nicht die geringste Spur
zu entdecken. Die beiden Frauen sahen sich an und lachten. Das war eine richtig
geile Auffahrt gewesen. Ute von Heesen deutete nach links, wo man Wasser
rauschen hören konnte. »Denkst du auch, was ich denke?«, neckte sie ihre Freundin,
die gerade ihren Helm abgesetzt hatte.
»Na, ich glaube schon, Frau von Heesen«, erwiderte diese fröhlich.
»Bevor die anderen männlichen Athleten hier eintreffen, sollten wir diesen Bach
zur Erfrischung aufsuchen, oder?«
Ute von Heesen legte ebenfalls Helm und Rucksack ab, dann rannten
beide kichernd den kleinen Abhang zu dem klaren Gebirgswasser hinunter.
Von einer Holzbank etwas abseits neben einer Viehweide betrachtete
Sigismund Ludwig mit versteinerter Miene das Treiben der beiden, bevor er sich
seinen Rucksack griff und in der Hütte verschwand. Die zwei waren schnell
gewesen, dachte er sich, aber er war bereits seit fünfundzwanzig Minuten hier.
Verächtlich lächelnd öffnete er die Tür zur Hüttenstube.
Donnerwetter
Monika Schlagbauer atmete
tief durch und erhob sich aus ihrem Sitz. Der Learjet war soeben auf dem gerade
erst fertiggestellten und vor einem Monat vom bayerischen Ministerpräsidenten
daselbst eingeweihten »Coburg Airport« gelandet. Das Prestigeprojekt der
bayerischen Landesregierung hatte sie so manche schlaflose Nacht gekostet. Vom
Geld der bayerischen Steuerzahler gar nicht erst zu reden. Aber der
Ministerpräsident hatte es so gewollt. Monika Schlagbauer persönlich hätte
diesem unangenehmen Volk im Norden Bayerns niemals ein solches Schlüsselprojekt
vor die Nase gestellt. In ihren Augen war das gleichbedeutend damit, Perlen vor
die Säue zu werfen. Die Landeshauptstadt München war die Region in Bayern, die
das kulturelle, wirtschaftliche und vor allem politische Zugpferd bildete. Der
Norden des Freistaates war für Monika Schlagbauer nicht wirklich Bayern.
Franken, das war eher so etwas wie der Gazastreifen.
Wozu also dieses Megaprojekt
in die fränkische Pampa bauen? Für ein paar verlorene Wählerstimmen durch das
Rauchverbot? Egal. Immerhin konnte man als CSU -Staatssekretärin
und Mitglied der bayerischen Landesregierung jetzt per Flugzeug nach Kloster
Banz fliegen.
Sie strich sich ihren
Hosenanzug glatt und betrat die Gangway. Ihr Blick schweifte über das Rollfeld
hin zur lieblichen Landschaft und den verstreuten Ortschaften, die im Itzgrund
lagen. Das war wirklich allertiefste Pampa. Was man nicht alles auf sich nahm,
um das berufliche Fortkommen zu beschleunigen!
Sie atmete nochmals tief
durch, ordnete ihre blonden Locken und stieg die Stufen zum schwarzen BMW mit Fahrer hinunter, der bereits auf
sie wartete.
Bürgermeister Kuno Feiler
betrachtete sich ein letztes Mal im Spiegel. Das war also der große Tag.
Mürsbach war von heute an der politisch wichtigste Ort in Bayern. Mit großem
Brimborium hatte die bayerische Landesregierung das Projekt »Gebietsreform in
Bayern« aus der Taufe gehoben. An seiner kleinen Ortschaft sollte sich nun
entscheiden, ob es möglich war, die jahrhundertealten Differenzen zwischen den
hier ansässigen Volksstämmen auszuräumen und ganze Landstriche zu befrieden.
Mürsbach sollte die Speerspitze dieses ambitionierten Unterfangens sein. Seine
Hand krampfte sich um den soeben mühsam gebundenen Krawattenknoten, und sein
Blick verfinsterte sich. Ausgerechnet Mürsbach. Er konnte sich nicht
vorstellen, dass es möglich war, in
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