Blutfeuer
musste sich zusammenreißen,
der eingebildete Truthahn saß ja schon fast in der Falle. »Da haben Sie recht,
Herr Professor«, lächelte er ihn aus zusammengepressten Zähnen an. »Und um
Wiedergutmachung zu leisten, habe ich mich an Ihre Worte von vorhin erinnert
und möchte Ihnen eine kleine Freude bereiten, wenn Sie gestatten.«
Siebenstädters gute Laune steigerte sich ins Unermessliche. Der
geschlagene Feind kroch nicht nur vor ihm im Staub, nein, er brachte ihm auch
noch Geschenke! Er würde diesen Tag in seinem Kalender dick anstreichen und zur
Feier später einen teuren Rotwein entkorken. Natürlich erst, wenn der Kommissar
weg war. Der Gerichtsmediziner beliebte nicht zu teilen. Schon gar nicht mit
einem vom Stand der Schnüffler. Aber jetzt wollte er erst mal sein Geschenk in
Empfang nehmen. »Na, was haben Sie mir denn als Kompensation Ihrer großen
Schuld mitgebracht, Haderlein? Da bin ich jetzt aber sehr gespannt.« Und siehe da,
er lächelte.
Haderlein fielen fast die Augen aus dem Kopf. Ein Anblick der ganz
besonderen Art. Der Leiter der Erlanger Gerichtsmedizin ähnelte mit dem hellen
Kittel und seinem grauslichen Lächeln einem weißen Hai, kurz bevor dieser seine
gierigen dreieckigen Zähne in ein hilfloses Robbenbaby schlägt. Er ließ
Haderlein frösteln. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass das Lächeln in
nicht allzu ferner Zukunft wieder das Zeitliche segnen würde.
»Sie wollten doch mal etwas Junges, Zartes begutachten, etwas mit
rosa Haut und mit einer noch sehr langen Lebenshalbwertszeit«, sagte er
lapidar.
Siebenstädter blickte ihn fragend an, lächelte aber immer noch.
»Etwas Weibliches, Lebendiges …«, legte Haderlein den Köder aus.
»Fahren Sie nur fort, Herr Kommissar«, lächelte Siebenstädter mit
froher Erwartung in der Stimme.
»Nun, ich habe da draußen eine junge, hochbegabte und noch dazu gut
aussehende Dame, die für ihre Schulausbildung in Neuendettelsau ein Attest
benötigt, eine Komplettuntersuchung sozusagen. Da habe ich mir gedacht, die
könnte doch der Kollege Siebenstädter machen … so zur Abwechslung zu den alten,
faltigen Leichen. Sie dürfen doch amtsärztliche Atteste ausstellen, oder?«,
fragte Haderlein, die Unschuld in Stimme.
»Ja, natürlich, ich bin ja ein ausgebildeter Allgemeinmediziner,
Haderlein. Also abgemacht. Wo soll die Untersuchung des holden Wesens denn
stattfinden, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Siebenstädter schnell. Das
Haifischgebiss hatte ganz offensichtlich mit stark einsetzendem Speichelfluss
zu kämpfen, bemerkte Haderlein befriedigt.
»Nun, ich denke, Ihr Schreibtisch hier wäre der richtige Ort für die
… Untersuchung …«
Das Substantiv »Untersuchung« schwebte, kaum ausgesprochen, lasziv
und aufreizend langsam durch den Raum, entkleidete sich unterwegs und räkelte
sich dann willen- und hüllenlos vor Siebenstädter auf der kühlen grauen Platte
seines Schreibtisches.
Dem Gerichtsmediziner fehlten die Worte. Er strahlte Haderlein nur
noch an – so freundlich, wie ein weißer Hai eben strahlen kann. Dann hob er
schelmisch den rechten Zeigefinger, was wohl so viel heißen sollte wie:
»Haderlein, Sie kleiner, versauter Tunichtgut!« Seine Augen allerdings
verkündeten eher etwas in der Art wie: »Hoffentlich hat die junge, knusprige
Schönheit auch etwas an, was sie schnell wieder ausziehen kann.«
Haderlein spürte, dass nun der richtige Moment gekommen war, und
ging wortlos nach draußen. Vor der Tür sprang Riemenschneider auf und schaute
ihn erwartungsvoll an. Haderlein hob das kleine Ferkel auf den Arm, kraulte ihm
den Hinterkopf und flüsterte ihm leise ins Ohr: »Showtime, Kleines.« Dann
betrat er mit Riemenschneider auf dem Arm und einer Unschuldsmiene das
Haifischbüro.
*
Sie strampelten gerade die letzten Höhenmeter zur Heidelberger Hütte
hinauf, als das Handy von Frank Jessentaler klingelte.
Er bremste und bedeutete den anderen, es ihm gleichzutun. Ohne zu
zögern, stieg jeder von seinem Rad. Kein Murren, kein Gemaule, kein Protest.
Nicht einmal von Ronald Wolf, der sich gestern Abend auf der Konstanzer Hütte
so einiges hatte anhören dürfen. Dazu war die exorbitant hohe Getränkerechnung
gekommen, die er hatte blechen dürfen. Dann hatte ihm Frank Jessentaler noch
einmal ziemlich deutlich gemacht, dass er bei der Wiederholung einer solchen
oder ähnlichen Aktion sofort das Zugticket für den Heimweg buchen konnte. Der
Tourguide kannte da keine Gnade. Entweder hielten sich die
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